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Primitiv-Masche

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Uberall Dessous-Plakate in der Stadt. Die zudringliche Werbung ist wieder ausgebrochen, um zu zeigen, was in Unterwäsche steckt. Es scheint, daß Slip und BH nebensächlich sind, während die Frau als sexy und pikant angepriesen und zur Schau gestellt wird. Völlig zu Recht sind Frauen darüber erbost. Es wird für ein Produkt geworben, das Frauen kaufen sollen. Der Blickfang für Männer wird wohl kaum verkauf sf ordernd sein. Ob aber Frauen Unterwäsche deshalb erwerben, weil sie so plakativ eindeutig angepriesen wird, weiß ich

nicht. Ich bezweifle das. Wollen oder müssen Frauen so aussehen, um up to date und „echt weiblich“ zu sein?

Werbung dient angeblich den Konsumenten, weil sie Waren bekannt macht und deren Qualität hervorkehrt; außerdem fördert sie den Verkauf und belebt den Markt. Warum sind aber die Werbemethoden so primitiv? Mit1 „primitiv“ meine ich keineswegs die Professionalität der Gestaltung. Es gibt in Bild, Text und Ton großartig gemachte Werbung. „Primitiv“ empfinde ich Werbung, die uns Konsumenten „fangen“, verführen soll — Zweck oder Wert der Ware spielt dabei kaum mehr eine Rolle.

Ich kann es kaum glauben, daß jemand ein Auto kauft, weil sich im Werbespot endlos lange, netz-bestrumpfte Frauenbeine aus dem PKW räkeln. Gibt es Leute, die wegen einer strengen Lederlady auf der Plakatwand plötzlich einen Spaten brauchen? Kaufen wir mit dem Papiertaschentuch die tränentrocknende Zuwendung einer jungen Einfältigen oder Klopapier wegen eines schachspielenden Nackedeis? Be-

sonders arg empfinde ich die neueste Jeans-Werbung: Wer kauft Jeans für den Geschlechtsverkehr, als Symbol der Geschlechtsreife oder gar in der Hoffnung auf Sexualakte?

Diese Art Werbung will mich als Konsumenten auf einen Primitivraster der Sinne und Gefühle reduzieren und versucht mich zu gängeln. Der Mensch braucht seine Sinne, um durch sie leben und mit den Menschen, mit seiner Umwelt in Beziehung treten zu können. Könnte jemand nur Pfeiftöne oder Exerzierkommandos hören, nur süß schmecken, Teer und Honig riechen, grau in grau sehen, oder bloß kalt und warm spüren, er wäre arm und beschränkt.

Werbung, die mit Sexualkürzeln und vordergründigen Appellen zum Kauf animieren will, mit Gefühlen spielt und diese mißbraucht, hält die Konsumenten offensichtlich für sehr beschränkt. Solche Werbemethoden sind eine Beleidigung aller potentiellen Kunden. Produkte, für die derart geworben wird, müssen wohl einen zweifelhaften Wert und eine dürftige Qualität haben.

Die gängige „Masche“ der Werbung, Frauen als Blickfang, Lockmittel und schlüpfrigen Aufputz zu benutzen, beleidigt verständlicherweise die Frauen, die sich nicht zum Gebrauchsartikel, zum Aufputz oder zum Sexualobjekt degradieren lassen wollen. Als Objekt, Ware oder Verpackung angeboten zu werden, ist entwürdigend.

Sexualität, Erotik und Zärtlichkeit sind wunderbare Begabungen des Menschen — Männer und Frauen dürften sich die Verstümmelung und Verdummung durch die Werbung nicht gefallen lassen. Der Protest gegen die Entwürdigung der Frau, den bislang bedauerlicherweise vor allem Frauengruppen allein tragen, ist ebenso wichtig wie das ständige

Aufzeigen dieser primitiven Werbemethoden.

Proteste genügen aber nicht. Weil der ganze Mensch, mit seiner Fähigkeit zu Liebe und Sexualität, wertvoll ist, müssen wir die Erziehung und Bildung zur Liebesfähigkeit und zur Reife auch im Bereich der Sexualität achten und fördern.

Es wird Zeit, daß auch wir Männer uns dem Protest der Frauen gegen diese Art der Werbung anschließen. Wir sollten nicht augenzwinkernd wegschauen — oder hinschauen. Wie wäre es, wenn über den Protest hinaus Produkte, die anscheinend spicher Primitivwerbung bedürfen, boykottiert würden? So könnten wir uns wehren, derart umworben und als ..Primitivlinge“ abgestempelt zu werden.

Der Autor ist Erwachsenenbüdner und Sekretär der Katholischen Männerbewegung Wien-Stadt.

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