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Sich gegen Mekka neigen und ein Kreuz schlagen

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Ein deutscher Wallfahrer, der im Jahre des Herrn 1172 kurz vor Weihnachten nach Akko kam, berichtete: „Wir zählten hier im Hafen 80 große Schiffe.“ Akko war fast 200 Jahre lang die „christlichste Stadt“ des östlichen Mittelmeeres. Hier befanden sich zur Zeit der Kreuzfahrer nicht nur die Zentren der verschiedenen Ritterorden, hier wurden auch, einer Überlieferung zufolge, die schönsten Weihnachtsmessen der Welt gefeiert. Schon zur Zeit des heiligen Paulus hatte es in Akko eine christliche Gemeinde gegeben. (Apostelgeschichte 21, 7: „Wir aber fuhren mit dem Schiff, kamen von Tyrus nach Ptolemais (Akko), begrüßten die Brüder und blieben einen Tag lang bei ihnen.“)

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Ein deutscher Wallfahrer, der im Jahre des Herrn 1172 kurz vor Weihnachten nach Akko kam, berichtete: „Wir zählten hier im Hafen 80 große Schiffe.“ Akko war fast 200 Jahre lang die „christlichste Stadt“ des östlichen Mittelmeeres. Hier befanden sich zur Zeit der Kreuzfahrer nicht nur die Zentren der verschiedenen Ritterorden, hier wurden auch, einer Überlieferung zufolge, die schönsten Weihnachtsmessen der Welt gefeiert. Schon zur Zeit des heiligen Paulus hatte es in Akko eine christliche Gemeinde gegeben. (Apostelgeschichte 21, 7: „Wir aber fuhren mit dem Schiff, kamen von Tyrus nach Ptolemais (Akko), begrüßten die Brüder und blieben einen Tag lang bei ihnen.“)

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Heute ist Akko nur eine von vielen kleinen Städten im Staate Israel und zählt 35.000 Einwohner, von denen ungefähr 10.000 Moslems und 1500 Christen der verschiedenen Konfessionen sind. Die Stadt liegt an der nördlichen Spitze der Haifa-Bucht und verfügt über einen natürlichen Hafen, durch den sie im Altertum zu einem der wichtigsten Plätze des östlichen Mittelmeers gedieh. Heute erinnern daran nur noch die stattlichen Überreste. Jeden Morgen, kurz vor Sonnenaufgang, kehren Dutzende von Fischerbooten heim, und zum größten Teil gehören sie Arabern, die schon seit Generationen dem Beruf des Fischers nachgehen. Die Stadtväter des heutigen Akko jedoch träumen von einem Hafen, der Jachten aus aller Welt aufnehmen könnte, um reiche Touristen zur Besichtigung der Kreuzfahrerstadt anzuregen. Die Altstadt Akkos ist großteils immer noch von einer drei Meter dicken Stadtmauer umschlossen. Hier befand sich im 12. Jahrhundert ein Zentrum und im 13. Jahrhundert die Hauptstadt des Kreuzfahrer- Reiches.

Heute lebt Akko hauptsächlich von Industrie und ist Handelsplatz für das landwirtschaftliche Hinterland, das westliche Galüäa. Doch bestehen Pläne, die Akko zu seiner alten Blüte zurückführen sollen. Ein Anfang wurde bereits gemacht: Einige Strandhotels befinden sich im Bau.

Die beiden erhaltenen Gassen aus der Kreuzfahrerzeit sind geblieben, wie sie vor 800,900 Jahren waren. Jetzt sind sie allerdings ein Armenviertel, in dem Familien mit fünf bis zehn Kindern, ohne fließendes Wasser und Kanalisation, in einem einzigen Zimmer hausen.

In Akko nun machte ich mich auf die i Suche, um hier oder dort vielleicht z doch Nachkommen der Kreuzfahrer « zu entdecken. Ab und zu sah ich denn I tatsächlich ein arabisches Kind mit 1 hellblonden oder rötlichen Haaren 1 und blauen Augen. Eine Uberliefe- i rung behauptet, daß Sigurd, König der £ Norweger, sich mit einer Araberin vermählt und zahlreiche Nachkommen hinterlassen habe. Sigurd wird r wohl nicht der einzige (eheliche oder 1 auch uneheliche) Stammvater gewe- v sen sein. 0

Echte Abkömmlinge der Kreuzfah- r rer fand ich vor etwa 25 Jahren 20 Ki- į lometer nördlich von Akko in einem s arabischen Fischerdorf namens Ach- f sib, das früher Ksib geheißen hat, und r das auf die Zeit der Kreuzfahrer zu- g rückgeht. Hier gibt es ganze Familien

on eindeutig nordeuropäischem Typus. Es wird behauptet, daß Mitglieder des Johanniter-Ordens sich hier als Fischer niedergelassen hätten. Eine Familie, die gleich allen anderen Mohammedanern des Dorfes siebenmal am Tage ihre Gebete verrichtete (wie vom Propheten befohlen), sah ich, nachdem sie sich gegen Mekka ver- ‘ neigt hatte, ein Kreuz schlagen. Als ich : einen der jungen Leute dieser Sippe darüber befragte, sagte er: „Das ist ; eben Tradition in unserer Familie.“ 1 Während des israelischen Befreiungskrieges von 1948 verließen alle Einwohner das Dorf. Nur zwei Männer mit einem Maschinengewehr blieben zurück. Sie vermochten zwei Tage lang ein ganzes Bataillon aufzuhalten, bis sie selbst im Kampf fielen. Die beiden Toten zeigten nordeuropäische Züge und die Bevölkerung der Umge- bung wahrt das Andenken dieser Helden, die sie „die Kreuzfahrer“ nennt.

Eigentlich besteht Akko aus zwei Städten: aus einer unterirdischen Kreuzfahrerstadt, die bisher nur zu einem kleinen Teil ausgegraben werden konnte, und aus der oberirdischen Stadt mit ihrem alten Viertel und ihren modernen Wohnsiedlungen.

Innerhalb von zwölf Jahren wurde der jetzt sichtbare Teil der Kreuzfahrer stadt freigelegt. Er befindet sich sechs bis acht Meter unter der Erdoberfläche und hatte einst vielen Generationen als zentrale Abwassergrube der städtischen Kanalisation gedient 10.000 Kubikmeter Steine, Sand und Abfall mußten während der Freilegung entfernt werden. Die Ausgräber mußten sich zumeist kriechend vorwärtsarbeiten, und besondere Stahl- und Betonkonstruktionen waren erforderlich, um Einstürzen vorzubeugen und die Ausschachtung zu ermöglichen. Fünf Millionen Israel- Pfund wurden bisher in die Ausgrabungen investiert. Der freigelegte Teil kann nun bereits besichtigt werden, und in einem der Rittersäle finden im Sommer Kammerkonzerte statt. Doch die Ausgrabungen gehen weiter.

Akko ist der einzige Ort der Welt, der noch über unversehrte, aufrecht stehende Häuser aus der Kreuzfahrerzeit verfügt, denn hier wurde eine Stadt über der anderen errichtet, die jüngeren Bauten wurden auf die alten aufgestockt. Die Moslems glaubten zwar seinerzeit, daß sie, wenn sie die Kreuzfahrerstadt dem Erdboden gleichmachten, die Schmach ihrer vergangenen Niederlagen gegen die „Ungläubigen“ tilgen könnten, doch w

vielfach leichter, die alten Häuser mit Sand zu füllen, als sie zu zerstören.

Der Name Akko erscheint schon auf den „Tafeln der Flüche“, auf denen die ägyptischen Pharaonen im 19. Jahrhundert vor Christus die Namen ihrer Feinde verewigten. 64 Städte werden genannt, Akko ist eine von ihnen. Schon zur Zeit der Eroberung des Landes durch die Juden um 1250 vor Christus war Akko ein wichtiger Hafen. Alexander der Große eroberte die Stadt im Jahre 333 vor Christus und nach ihm kamen die Griechen. Während der Diadochenkämpfe wurde Akko im Jahre 261 vor Christus von den Ptolemäern erobert. Nach dem jüdischen Aufstand der Jahre 66 bis 70 feierten die Römer ihren Sieg in Akko und prägten dort Gedenkmünzen. Danach blieb der Ort lange Zeit bedeutungslos, bis er im Jahre 668 von den Arabern erobert wurde. Doch zur wahren Blüte gelangte Akko erst während der Kreuzzüge des 12. und 13. Jahrhunderts. Fünf Jahre nach der Eroberung Jerusalems, im Jahre 1104, vermochte König Balduin I. die Stadt zu nehmen. Er wurde hiebei von der genuesischen Flotte unterstützt und Genua unterhielt denn auch später, wie Venedig, Pisa und Amalfi, in Akko eine Handelsniederlassung im eigenen Stadtviertel. Da die Genueser und die Venezianer nicht immer im besten Einvernehmen lebten, bauten sie ihre Viertel völlig autark aus, mit eigener Wasserversorgung und mit Häusern an den Viertel-Grenzen, die zugleich als Stadtmauer und Befestigungstürme dienten. In jener Zeit war Akko der Knotenpunkt aller Verbindungen zwischen Europa und dem Heiligen Land.

Die in Akko ansässigen Kreuzfahrer waren Franzosen, Engländer, Italiener und Deutsche. Die militärische und politische Macht war in den Händen der verschiedenen Ritterorden, denen neben dem Schutz der Wallfahrer auch die Verteidigung des Kreuzfahrerstaates oblag: des Templer-Ordens, der Deutschordensritter, des Lazarus-Ordens, nicht zu vergessen des wichtigsten, des Johanniter-Ordens, später „Hospitaliter“ und schließlich „Malteser“ genannt. Sie errichteten auch in Akko ein für damalige Verhältnisse sehr großes Krankenhaus, in dem die kranken Gläubigen, aber auch die „Ungläubigen“, gepflegt wurden.

Der Sitz des Johanniter-Ordens mit seinen gewaltigen Repräsentationsund Versammlungshallen, Diensträumen und Unterkünften ist erst

ngster Zeit wieder für Besucher zugänglich gemacht worden.

Im Jahre 1187 schlug Sultan Saladin die Kreuzritter in der Schlacht von Hattim und eroberte die Kreuzfahrerstädte, unter ihnen auch Akko. Doch schon drei Jahre später kehrten die Ritter im Dritten Kreuzzug mit Richard Löwenherz, Philipp II. August von Frankreich und Herzog Leopold von Österreich ins Heilige Land zurück. Der Versuch einer Wiedereroberung Jerusalems mißlang, doch auf die Mauern von Akko pflanzte der Babenberger als erster das rotweißrote Banner. Löwenherz riß es herab - was unabsehbare weltpolitische Folgen hatte. Akko jedoch wurde nun Hauptstadt des Kreuzfahrerreiches. Die nächsten hundert Jahre bilden den Höhepunkt in der Geschichte dieser Stadt. Die schönsten Bauten, die zur Zeit freigelegt werden, stammen aus jener Periode, so auch die Stadtmauer, die dann, 1799, sogar den Kanonen Napoleons standhielt

1291 wurde die Stadt von den Mame- lukken erobert und geradezu systematisch zerstört. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts erlebte Akko wieder eine Blüte, doch sank es dann wieder, unter türkischer und britischer Herrschaft, zur Bedeutungslosigkeit ab. Nach dem Teilungsplan von 1947 sollte es arabisch bleiben, wurde aber im Befreiungskrieg des Jahres 1948 von den Israelis erobert.

Wer heute das Akko der Kreuzfahrerzeit kennenlernen will, muß sich auf den Turm der Khan el-Frandji („Karawanserei der Franken“) begeben, die einst Handelszentrum der Venezianer gewesen ist. Von hier öffnet sich dem Besucher ein großartiger Überblick.

Als ich kürzlich durch den Basar von Akko schlenderte, entdeckte ich neben einem kleinen jüdischen Textilladen eine, alte lateinische Inschrift. Sie lautete: „O Mensch, der du die Straße kreuzest, ich bitte dich um Erbarmen. Bete für mein Seelenheil. - Fasala, der diese Kirche erbaut hat.“

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