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Wandel

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Die Volksbefreiungsarmee schießt auf das Volk, und die Revolutionäre sind tot oder sehr alt geworden. Wie ein Fisch im Volksmeer müsse der Revolutionär schwimmen, postulierte Mao. 40 Jahre nach der Gründung der Volksrepublik China wird ein Schrei nach mehr Freiheit im Blut erstickt. „Die politische Macht kommt aus den Gewehrläufen.“ So steht’s in Maos „Rotem Buch “. Aber damals war es anders gemeint, weil der Feind nicht das eigene Volk war.

Immer sind die Panzer da, wenn das Volk in den Volksrepubliken Freiheit fordert: 1953 in der DDR, drei Jahre später in Ungarn, 1968 in der CSSR und jetzt in China.

Aber die Forderung bleibt, manchmal verstummt sie, manchmalwirdsie lauter-aber sie ist immer da. Und immer kommt es einmal so weit, daß es in den Leuten zu denken anfängt. Der DDR-Schriftsteller Volker Braun schildert das so: „Es, das sind die Verhältnisse selbst, sie lauem den Leuten auf, fallen über sie her, dringen in sie ein und beginnen in ihnen zu denken, und keiner befreit sie davon.“

Dann wird gedacht und das Gedachte wird ausgesprochen oder niedergeschrieben. Das Niedergeschriebene wird verboten, die Zensur wirft sich in Poiitur. Aber das Gedachte verschwindet nicht. Manchmal überlebt ein Schriftsteller die Zensur, wie eben jetzt Volker Braun, dessen Stück „Die Übergangsgesellschaft“ nach Jahren des Verbotes im Osten undimWestenaufgeführttvird. . Eine Komödie, die den Niedergang der Ideologie schildert und die Sehnsucht nach dem Wandel, der längst nicht mehr durch Revolution angestrebt wird.

Wandeln, darunter versteht Volker Braun, die Haltung ändern, die Art des Lebens. Und er zitiert Peter Weiss: „Wenn wir uns nicht selbst befreien, bleibt es für urts ohne Folgen.“

Noch Anfang der siebziger Jahre hatten die chinesischen Kommunisten die Entstalini-sierung nicht zur Kenntnis genommen; Stalins Bild hing neben den Köpfen von Lenin und Marx. Und an der gegenüberliegenden Wand prangte Mao, der Halbgott. Man wußte, wie gefährlich es war, Idole als Sündenböckezu entlarven. Das widersprach der Pragmatik chinesischer Geschichtstradition. Die alleinseligmachende Partei aber schafft die Seligkeit nicht. Die letzten Sündenböcke fand die Partei in der „Viererbande“, neue werden bald entdeckt sein.

Aber auch mit dem Blutbad in Peking können die Machthaber nicht verhindern, daß es in den Menschen weiterdenkt.

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