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Zwerg am Golf

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Dreißig Inseln, darunter die Hauptinsel Bahrein, und die Eilande Muharrak, Sitra und Umm Nassan, bilden das seit wenigen Tagen unabhängige 200.000-Seelen-Scheichtum Bahrein mit der Hauptstadt Manama vor der Südwestküste der arabischen Halbinsel im Persischen Golf. .

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Dreißig Inseln, darunter die Hauptinsel Bahrein, und die Eilande Muharrak, Sitra und Umm Nassan, bilden das seit wenigen Tagen unabhängige 200.000-Seelen-Scheichtum Bahrein mit der Hauptstadt Manama vor der Südwestküste der arabischen Halbinsel im Persischen Golf. .

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Bahrein ist der älteste nahöstliche Erdölproduzent. Schon 1932 begann hier die Förderung, die gegenwärtig 70.000 Barrel täglich beträgt und dem Land etwa 34 Millionen Dollar (rund 70 Prozent des Jahresbudgets) einbringt. In seiner modernen Raffine rie werden außerdem 136.000 Barrel Rohöl aus Saudi-Arabien, die durch eine Pipeline herbeitransportiert werden, weiterverarbeitet.

Fast vierzig Jahre Ölproduktion verschaffen der weitverzweigten Scheichfamilie und dem im Wirt schaftsleben tätigen Mittelstand dicke Wohlstandspolster. Das Erziehungswesen gilt als vorbildlich und der Bildungsstand der Bahreinis, die fast lückenlos von der Schulpflicht erfaßt werden, ist wesentlich höher als der anderen Araber. Es gibt 55 Schulen, neun Krankenhäuser und einen kostenlosen öffentlichen Gesundheitsdienst. Doch obwohl die Staatshaushalte alljährlich mit etwa fünfzigprozentigen Überschüssen abzuschließen pflegen, geschah sonst noch viel zu wenig für die politische, industrielle und soziale Entwicklung.

In Manama residierte nahezu dreißig Jahre der legendäre britische Generalgouvemeur Sir Charles Bel- grave, der die dortige Scheichfamilie auch nach seiner Entlassung aus dem Londoner Staatsdienst noch privat beriet. Belgrave verfiel der primitiven Beduinenromantik vieler Europäer und tat alles für die Konsvervierung der traditionellen Feudalstruktur und viel gegen eine moderne politische Entwicklung. Sowohl der gut verdienende Mittelstand als auch die zahlreichen arbeitslosen Intellektuellen haben bis heute praktisch keine Möglichkeit zur Beteiligung an den politischen Entscheidungen. Bahrein ist eine absolute Monarchie.

Auch die Wirtschaft steht auf tönernen Füßen. In wenigen Jahren werden die Ölreserven erschöpft sein. Schon heute gibt es zu wenig Industrien und kaum Beschäftigungsmöglichkeiten für die Primärschulabgänger, geschweige denn für die aus dem Land stammenden Absolventen der arabischen Universi täten. Politische Frustration und fehlende wirtschaftliche Möglichkeiten machen aus dem intellektuellen Massenproletariat schon seit Jahren einen fruchtbaren Boden für die aus den progressistischen Staaten hereinströmenden revolutionären Ideen. Zuerst verbreitet wurden sie von den ägyptischen Lehrern. Ihnen folgten die Palästinenser, und deren radikale Gruppen „Volksfront“ und „Demokratische Volksfront“ haben hier viele Anhänger. Es kam wiederholt zu Unruhen. Gegen sie hofft der Scheich sich durch eine gutausgerüstete Miniarmee, die sogar über moderne Flugzeuge verfügt und von britischen Exoffizieren befehligt wird, zu schützen.

Voraussetzung für das Überleben der bestehenden politischen Struktur des Zwergs am Persergölf ist jedoch eine friedliche Entwicklung vor allem in Saudi-Arabien und den Nachbarkleinstaaten. Auf der arabischen Halbinsel herrscht jedoch zunehmende revolutionäre Stimmung sowohl in den Streitkräften als auch bei Mittelschicht und Intellektuellen. Und die GolffÖderation ist für viele Beobachter schon jetzt ein gescheitertes Experiment. Außerdem strebt die Sowjetunion seit Jahren nach strategischem und ideologischem Einfluß am Persergolf.

Käme es zu gewaltsamen Veränderungen etwa in Saudi-Arabien, das früher territoriale Ansprüche auf Bahrein erhob, wür de das keinesfalls ohne Auswirkungen auf den Inselstaat bleiben. Dann könnte der Iran, dem Bahrein von 1602 bis 1783 gehörte, seine Ansprüche reaktivieren.

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