Auf dem G8-Gipfel der Hilflosigkeit

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Sie schlafen in einem Kasernen-Bunker und besprechen die Weltlage in einer Stadt, in der nur noch Ruinen stehen, in einer Region, in der 15.000 Polizisten für die Aufrechterhaltung der Totenstille sorgen. Das ist L’ Aquila, die Stätte des Gipfels der führenden acht Industrienationen. Noch ein paar futuristische Autos und ein paar Retuschen dazu – und schon könnte die symbolüberfrachtete Szenerie als Kulisse von Mad Max durchgehen.

Was immer sich Italiens Mogul Silvio Berlusconi dabei gedacht hat, gerade in einem Erdbebengebiet über die Zukunft einer Welt zu reden, deren ökonomisches System gerade in Trümmer fällt, bleibt ein Geheimnis. Der bleibende Eindruck ist jedenfalls erbärmlich. Was Hilflosigkeit ist, zeigt ein Blick auf die blauen Notzelte und in die Gesichter der 23.000 verzweifelten Überlebenden des Erdbebens, die seit drei Monaten vergeblich auf die Hilfe warten, während sich ihr gelifteter, haarimplantierter, silikonierter Staatslenker lieber mit jungen Schönheiten verlustiert.

Eine Agenda ohne Substanz

Was Planlosigkeit ist, zeigt auch die Agenda dieses Treffens der Lenker von rund zwei Drittel der Weltwirtschaftsleistung und heute also zwei Drittel des WeltwirtschaftsGAUs: Von koordiniertem Vorgehen ist auch nach einem Jahr Krise keine Rede – und schon gar nicht davon, die wirtschaftlichen und sozialen Ungerechtigkeiten zu lindern, die den Globus zerrütten.

US-Präsident Brack Obama hält versöhnliche Reden zu nahezu allen Themen, doch was die Krise betrifft, ist die neue US-Regierung über das fruchtlose weil ungezielte Verpulvern von hunderten Milliarden Dollar nicht hinausgekommen. Wenn die USA jetzt ein neues Konjunkturpaket diskutieren, dann sollte sich die Washingtoner Administration einmal fragen, was geschieht, wenn auch dieses Geld verbrannt ist und der Wert der US-Staatsanleihen ins Rutschen kommt. Mit 12 Monaten Rezession und keiner Aussicht auf ein Ende des Downturns wird diese Frage drängender werden.

Doch in L’ Aquila stellt niemand diese Frage, auch nicht Großbritanniens Gordon Brown, dessen Volkswirtschaft aufgrund der engen Vernetzung mit jener der USA als erste mit in den Abgrund gezogen würde. Zu allem Überdruss bastelt der russische G8-Kollege Dmitri Medwedew mit China schon mehr oder weniger offen an der Ablöse des Dollars als Weltleitwährung. Dass dadurch dem Vertrauen der Anleger in die trotz Wirtschaftskrise immer noch größte Wirtschaftsmacht USA der Todesstoß versetzt werden könnte – auch darüber spricht man in L’ Aquila nicht.

Ausrede Klimaschutz

Die G8 versuchen sich und die Öffentlichkeit dagegen mit ein wenig Klimaschutz zu zerstreuen. Klimaschutz klingt nachhaltig und eignet sich schon seit Jahren hervorragend für Sonntagsreden und Schlussdokumente politischer Elefantentreffen, die in Gefahr stehen, als einziges Ergebnis eine Wolke Methangas zu hinterlassen.

Da fügt es sich gut, dass die USA und Großbritannien ohnehin noch einmal betonen wollten, wie wichtig ihnen der gemeinsame Kampf gegen die Erderwärmung und die katastrophalen Effekte sind, die damit einhergehen. Solche Bekenntnisse verlieren allerdings schnell an Gewicht, da sie nicht mit massiver Finanzhilfe für jene Länder gekoppelt werden, die jetzt schon in Dürre, Hunger und Überschwemmungskatastrophen zugrundegehen, den drei Wegbegleitern des Klimawandels. Angesichts jener 60 Prozent des globalen CO2-Ausstoßes, für den die USA und Europa verantwortlich sind, wäre die Hilfe für diese Länder eine minimale Art der Wiedergutmachung. Doch auch darüber spricht man in L’ Aquila nicht.

Die treffendste Schlussfolgerung aus dem Treffen von L’ Aquila wurden schon vorab gezogen – von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, die als eine der wenigen Teilnehmer an der Veranstaltung noch so etwas wie Realitätssinn erkennen lässt. Merkel hat die G8 in kurzen gnadenlosen Worten zur wirkungslosen Veranstaltung erklärt, der die G20-Treffen längst den Rang abgelaufen haben.

Was bleibt also? Wohl jene Aufnahmen, die den Spaziergang der G8 durch die Trümmer der Stadt L’ Aquila zeigen, fotografische Dokumente einer hilflosen Weltpolitik, die die Geschichtsbücher füllen werden.

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