Ein Mann mit Prinzipien und undankbaren Ämtern

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In der Nacht zum 20. August 2003 ist Hermann Withalm gestorben: der "Eiserne Hermann", wie ihn alle nannten, die sich seiner erinnern. Warum "eisern"? Nie war er unerbittlich hart, gar unmenschlich. Das Urteil galt seiner damals nicht allgemein üblichen Konsequenz. In den ersten zwei Jahrzehnten nach Nazi-Tyrannei und Weltkrieg, mit Bürgerkriegserinnerungen noch im Nacken, zählten mit Grund Kellerstuben-Diplomatie und Heurigen-Gemauschel. Aber dann kam die Zeit, in der man ihrer überdrüssig wurde, mehr auf Gesetz und Transparenz als auf Prosit und Handschlag setzte. Die Zeit Hermann Withalms.

Insofern ist die "Handschlagsqualität", die jetzt alle an ihm rühmen, kein optimales Bild, um seinen politischen Stil zu charakterisieren. Natürlich hielten auch seine Handschläge, was sie versprachen, aber mehr kam es ihm auf formelle Gültigkeiten an: Das Parlament sollte aus den Fesseln rigider Koalitionspakte und außergesetzlicher Nebenregierungen befreit werden, ein Mehrheitsbeschluss mehr gelten als parteipolitische Junktimierungen. Sein Beruf als Notar, den er seit 1947 in Wolkersdorf im Weinviertel ausübte, hatte ihn dafür konditioniert.

Politisch hatte sich der 1912 in Gaweinstal geborene Niederösterreicher schon in der Vaterländischen Front betätigt. Dafür verlor er 1938 seinen Posten als Notariatskandidat; 1942 rückte er zur Deutschen Wehrmacht ein. Kaum war er beruflich etabliert, lockte den CVer erneut die Politik. Von 1953 bis 1975 war er Nationalratsabgeordneter. Seine Parlamentsreden waren sachlich dürr, kannten wenig Pathos, aber durchaus Parteipolitik. Gegner schonte er nicht, verletzt hat er sie nie. Als Staatssekretär im Finanzministerium unter Bundeskanzler Raab ebnete er den Weg für die Ausgabe so genannter Volksaktien, durch die möglichst viele Bürger Anteil an verstaatlichten Unternehmen erhalten sollten. Der große Erfolg blieb aus.

Ja zu Königs Kirchenkurs

1960 wurde Withalm Generalsekretär, 1966 auch Klubobmann der ÖVP. Zum überparteilichen Kirchenkurs von Kardinal König sagte Withalm 1967 ein tapferes - von vielen damals nicht geteiltes - Ja. In seine Zeit fiel die Erringung der absoluten Mandatsmehrheit 1966 - und der Verlust selbst der relativen Mehrheit vier Jahre später. Dazwischen lag ein ambitioniertes Reformprogramm, das er zusammen mit Bundeskanzler Klaus eisern durchzog. Beide überschätzten die Aufnahmebereitschaft der Österreicher/innen auch für unpopuläres Neues. 1968 ließ er sich zögernd als Vizekanzler in die Regierung holen; er sollte den Visionär Klaus auf festem Boden halten. Dabei glitten beide aus. Klaus verschwand, ein Akt von Charaktertreue, aus der Politik. Withalm übernahm, nicht weniger ehrenhaft, für ein Jahr die Partei, was die nächste Wahlniederlage 1971 nicht verhinderte.

1974 hätte der "Eiserne Hermann" für die Bundespräsidentschaft kandidieren sollen, die erste Plakatwelle war schon gedruckt. Da verfiel die ÖVP auf einen vermeintlich zugkräftigeren Kandidaten, Innsbrucks Bürgermeister Alois Lugger. Auch der verlor gegen Rudolf Kirchschläger, und in Withalm blieb ein tief sitzender Schmerz zurück. Trotzdem übernahm er 1976 den Seniorenbund, verschaffte ihm einen ÖVP-Vorstandssitz und führte ihn engagiert bis 1988. In der Pension meldete er sich nie als Besserwisser zu Wort. Nur dass er gegen eine schwarz-blaue Koalition war, hat er nie verhehlt. 1970 hat diese mit Klaus geteilte Abneigung der ÖVP den Weg in 16 dürre Oppositionsjahre beschert. Schämen musste Withalm sich seiner Grundsatztreue nie.

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