Linderung für Wahlqualen

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Vermutlich, liebe Leserin, lieber Leser, wird es Ihnen nicht anders gehen als mir: Ich treffe fast ausschließlich Menschen, die nicht wissen, wen sie wählen sollen. Mag sein, dass mein Bekanntenkreis nur ein Abbild meines eigenen zauderhaften Wesens ist. Es könnte aber auch ein wenig daran liegen, dass es ein Problem mit dem Angebot gibt.

Eine der alten moralischen Fragen der Demokratie, die leider von den Herren Martini und Eco in ihrem sonst so erhellenden Briefwechsel unbehandelt blieb, lautet: "Was wählt, wer nicht wählt?" Zunächst bestärkt er jene, welche die Demokratie ohnehin für eine verzichtbare Veranstaltung halten, in zweiter Linie nützt seine Nichtstimme jener Partei, die ihre Wähler am besten mobilisieren kann. Kommt also nicht in Frage.

Aus unerfindlichen Gründen hat sich die Vorstellung festgesetzt, dass auch das Ungültig-Wählen ein Ausdruck fortgeschrittener Demokratieverweigerung sei. Was definitiv nicht der Fall ist. Wer in der Wahlzelle mehrere Parteien oder gar keine ankreuzt, kommt nicht nur seiner Wahlpflicht nach, er setzt auch ein ziemlich deutliches Signal: Dass er nämlich keiner der wahlwerbenden Parteien seine Stimme geben möchte - also vielleicht gern eine weitere Partei im Parlament vertreten sähe.

Was spricht eigentlich dagegen, dieser Partei der Ungültig-Wähler die ihr gemäß ihrer Stimmenzahl zustehenden Parlamentssitze zu reservieren? Das würde einerseits verhindern, dass andere Parteien für ihr unzureichendes Angebot auch noch belohnt werden und könnte zweitens aktive Bürger dauerhaft daran erinnern, dass es für neue politische Initiativen auch eine reale Machtbasis im Nationalrat gibt.

Man mag dagegen einwenden, dass es doch ein bissl viel verlangt wäre, den österreichischen Politikern zuzumuten, dass sie mit Zweidrittelmehrheit die Möglichkeit schaffen, ihre Unzulänglichkeit symbolisch zu dokumentieren. Gegenfrage: Ist die Akzeptanz dessen, was den Wahlbürgern derzeit geboten wird, nicht auch ein bissl viel verlangt?

Der Autor ist stellvertretender Chefredakteur der "Presse".

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