Religion ist in fast allen Schultypen Österreichs ein Pflichtfach, jedoch mit der merkwürdigen Ausnahme, daß man sich durch Abmeldung dieser "Pflicht" entziehen kann. [...] Heuer geriet der Religionsunterricht aus verschiedenen Gründen neu in Diskussion. Was würde fehlen, fiele er tatsächlich aus?
Für den Schüler fehlte ein Unterrichtsfach, das sich, wie kein anderes, mit seinem Leben befaßt. Wo ihm geholfen wird, sich selbst kennen und annehmen zu lernen und sich seiner Stellung und Aufgabe in Gesellschaft und Kirche bewußt zu werden. [...]
Der Schule ginge ohne Religionsunterricht eine der Möglichkeiten ab, Fächer auf einem einigenden, sinnstiftenden Hintergrund "zusammenzuschauen". [...]
Erfahrung mit Gott kommt immer aus gemeinsam erlebter Geschichte und nicht aus abstraktem Denken. Will man diese weitergeben [...], dann kann ein Ethikunterricht das Zeugnis einer gläubigen Gemeinschaft nicht ersetzen. Und was die dunklen Seiten der Kirchengeschichte anlangt, sollen sie nicht verschwiegen, die positiven Seiten aber auch nicht überblättert werden.
Schulanfang ist Anlaß, über Religionsunterricht sachlich nachzudenken. Die ihn geben, werden sich bemühen, ihn noch besser zu gestalten. Die ihn bekämpfen, sollen bedenken, was sie damit einer Jugend, der Schule und der Gesellschaft möglicherweise vorenthalten.
Nr. 36 /7. September 1995
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