Ab in den Süden! Komme, was wolle

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Umweltkatastrophen können Touristen nur wenig anhaben, es wird umgebucht, was das Zeug hält. Das vom Tsunami betroffene Thailand ist ein Beispiel dafür, dass der Tourismus schnell zur Normalität zurückkehrt.

Ende Dezember 2004: Eine südostasiatische Region liegt in Trümmern, langsam kommt die internationale Hilfe in die Gänge, alleine wären die betroffenen Länder nicht im Stande, die Verwüstung, die der Tsunami ausgerichtet hat, zu bewältigen. Neben den materiellen Schäden sind etwa 300.000 Tote zu beklagen. Die Bilder, die die Fernsehsender in die ganze Welt hinaus übertragen, geben Zeugnis ab über die Zerstörungsgewalt der Natur und das Leid der dort ansässigen Bevölkerung. Nur ein Kameraschwenk und man sieht neben den Trümmern auch Touristen in aller Ruhe am Strand spazieren gehen. In vielen Zusehern keimt Empörung auf. Ist es vertretbar, seinen Urlaub in einer Krisenregion fortzuführen, unter dem Vorwand, man gebe ja dringend gebrauchte Devisen aus? Medienwirksam werden einige Touristen interviewt und nach ihren Beweggründen gefragt, wobei das klischeehafte Bild des deutschen Touristen nicht nur einmal bedient wird: "Wir haben ja schließlich bezahlt für ..."

Moral

Welche moralische Verantwortung hat ein Tourist? Ist es verwerflich, nach einem Tsunami seinen Urlaub fortzusetzen? Betrachtet man die Zahlen der nach Thailand eingereisten Touristen, so hatten nach dem Tsunami nur wenige Urlauber Skrupel, nach Thailand - dem Land, das neben Indonesien und Sri Lanka am stärksten von der Flutwelle betroffen war - zu reisen. Wie das Thailändische Fremdenverkehrsamt in Wien bestätigt, gab es in den Tourismusjahren 2004 auf 2005 lediglich ein Minus von 1,5 Prozent. Das bedeutet in ganzen Zahlen, dass 2004 rund 11,65 Millionen ins Land reisten und 2005 etwa 11,52 Millionen. Die gesamtwirtschaftliche Auswirkung des 2004er Tsunami war demnach in Thailand nicht groß, wenngleich das regionale Elend und die Verwüstung oft die Grenzen der eigenen Vorstellungskraft sprengten. Für das Jahr 2006 wird eine Gesamtzahl von dreizehn Millionen ausländischer Touristen erwartet (genaue Berechnungen stehen noch aus; Anm.).

Während der Katastrophe herrschte bei den österreichischen Reiseveranstaltern, die Touristen in der Region hatten, der Ausnahmezustand. Sonja Schröder, Pressesprecherin von Tai Pan Touristik aus Wien, schilderte, dass das gesamte Personal im Einsatz war, eine 24-Stunden-Hotline eingerichtet wurde und der Kontakt zum Außenministerium nie abriss. Personen aus der Reisebranche, die selbst keine Personen im Krisengebiet hatten, bekommen noch heute selbst bei dem Gedanken an den Tsunami weiche Knie. Vor allem geistert die Frage im Kopf herum, wie man die Kunden wieder nach Hause bringen würde. Und wo würde man die Urlauber finden, wenn nicht einmal die Telefonleitungen funktionieren?

Zeitgeist

Dass der Tourismus nach dem Tsunami nicht zum Erliegen kam, ist ein Phänomen der heutigen Zeit. Viele Touristen lassen sich nicht mehr so leicht durch Naturkatastrophen oder Terroranschlägen von ihren Urlaubsplänen abhalten. Dies belegt auch eine Studie des Institutes für Freizeit und Touristenforschung, sagt Josef Peterleithner, Geschäftsführer der TUI Austria Holding AG. "Laut dieser Studie zeigen sich 97 Prozent der Menschen, die verreisen, von Krisen (durch Wetter oder Terror hervorgerufen; Anm.) unbeeindruckt und ändern ihre Reisevorhaben nicht." Lediglich jene, die direkt in ein betroffenes Gebiet reisen wollten, reagieren. Jedoch auch von dieser Gruppe fliege die eine Hälfte und die andere Hälfte buche um. "Gerade bei der Tsunami-Katastrophe hat sich gezeigt, dass viele Kunden gerade deshalb nach Thailand gefahren sind, um ein positives Zeichen zu setzen und dem Tourismus auch hinkünftig eine Chance zu geben," sagt Peterleithner. Es sieht fast so aus, als sähe sich so mancher Tourist als moderner Heils-und vor allem Devisenbringer. Dies könnte eine Erklärung dafür sein, dass viele Menschen sich nicht durch "äußere Einflüsse" von ihren Reiseplänen abhalten lassen. Peterleithner ist jedoch der Überzeugung, dass die Menschen gelernt hätten mit Krisen umzugehen, und dass diese ein Bestandteil des allgemeinen Lebensrisikos geworden seien. Auch die Reiseveranstalter haben sich an diese neue Zeit angepasst: Ein Urlaubsland wird meist mit mehreren verschiedenen Destinationen ins Programm aufgenommen und die Möglichkeit einer kurzfristigen raschen Umbuchung gibt dem Kunden die finanzielle Sicherheit, dass - egal was passiert - er sich auf die Reise machen kann.

Normalität

Thailand ist ein Exemplarbeispiel für den raschen Wiederaufbau nach der Flut und die scheinbar schnelle Rückkehr zur Normalität, mögen auch so manche seelischen Wunden noch lange nicht verheilt sein. Bereits im April 2005 erinnerten mancherorts nur noch umgeknickte Palmen daran, welche Wassermassen einige Monate zuvor die Region verwüsteten. In vielen vom Tourismus lebenden Gebieten Thailands ging der Wiederaufbau äußerst rasch vonstatten, so war Phuket nach sechs Monaten wieder buchbar, ausgenommen Khao Lak, dort dauerte es cirka ein Jahr, bis sich wieder Touristen am Strand tummelten.

Sri Lanka hingegen ist das genaue Gegenteil: Neben der Flut hat der Inselstaat mit einem seit 1983 schwelenden Bürgerkrieg zwischen Singhalesen und Tamilen zu kämpfen. Das frühere Ceylon (bis 1972) ist zwar trotz Tsunami und Bürgerkrieg noch in vielen Reisekatalogen vorhanden und wird auch gebucht, doch trotz der zuvor angesprochenen "Flexibilität" und Risikobereitschaft von modernen Touristen nimmt die Beliebtheit Sri Lankas ab. Der Bürgerkrieg macht allerdings nicht nur dem Tourismus zu schaffen, auch der Wiederaufbau nach der Flutwelle von 2004 ist bis heute noch nicht zur Gänze abgeschlossen. Ex-Uno-Generalsekretär Kofi Annan kritisierte im Dezember vergangenen Jahres die Konfliktparteien in Sri Lanka, da sie seiner Ansicht nach den Wiederaufbau wesentlich erschweren.

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