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Diaconus redivivus?

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Fast zur gleichen Zeit, da vom internationalen katholischen Institut für kirchliche Sozialforschung in Wien ein Bericht über die internationale Enquete in Wien im lahre 195 8 unter dem Titel „Die europäische Priesterfrage“ herausgegeben wird, eine Veröffentlichung, die eigentlich einen einzigen Schrei des von Priestern ausgehungerten Europas nach Seelsorgern darstellt, erscheint in Wien eine kleine Studie, die versucht, einen Hinweis zu geben, wie der Seel.sprgernot. abgeholfen werden könnte Es ist 1die\'5t4die eines Laien und handelt von der Wiedererweckung des Diakonats Der Autor kann mit Recht darauf hinweisen, daß das Diakonat in der katholischen Kirche heute, zum Unterschied von der russisch-orthodoxen, nur noch eine — wenn auch notwendige — Durchgangsstufe zum Priester-tum darstellt. Der Diakon als Helfer des Priesters dagegen ist seit langem nicht existent. Durch die Reaktivierung des Diakonats aber soll, nach Ansicht des Verfassers, der eigentliche Priester, der Pfarrer, der Kaplan, eine Hilfe bekommen, die ihm wesentliche Lasten abnimmt. Denn formalrechtlich könnte auch heute schon ein Diakon predigen (falls • er natürlich die Erlaubnis hätte), er könnte Religionsunterricht erteilen, er könnte Andachten ib-halten, die Toten begraben, er dürfte die heilige Kommunion spenden. Wer das gehetzte Leben der Priester in der Gegenwart kennt, wird zugeben müssen, daß durch eine solche Reaktivierung des Diakonats den eigentlichen Seelsorgern viel Arbeit abgenommen werden könnte. Zum Diakonat rhofft sich der Verfasser einen starken Zustrom, weil nach seiner Ansicht für das Diakonat das Zölibat nicht gelten sollte, und er außerdem neben einem hauptberuflichen Diakon auch einen nebenberuflichen bestehen lassen will. (Gegen letzteren müssen allerdings gleich schwerste Bedenken angemeldet v.er-den: denn das Leben des heutigen Menschen besteht ohnedies nur noch größtenteils aus Zeitmangel. Ein so wichtiges Amt wie das Diakonat neben seinem Hauptberuf auszuüben, ist schlechterdings nicht möglich, soll nicht der Hauptberuf, soll nicht deF Beruf als Diakon und soll nicht die Familie, die der Diakon ja hätte, leiden.)

Niemand anderer als der Papst selbst sagte auf dem 2. Weltkongreß für das Laienapostolat, daß die Frage der Reaktivierung des Diakons noch nicht reif sei. Dieser vorsichtige Ausspruch sagt, daß eines Tages diese Frage doch spruchreif sein werde. Um sie aber spruchreif werden zu lassen, muß viel über sie nachgedacht und meditiert werden, und deshalb ist eine solche Schrift wie die vorliegende zu begrüßen, die das ganze Problem aufwirft und Anlaß zu vielen Diskussionen geben kann, Diskussionen, die eben einmal auch für das Diakonat die „Fülle der Zeit“ herbeiführen könnten.

Auf ein Argument wird allerdings .in. dem Buch von Hornef zuwenig Gewicht gelegt, obwohl es-doch das stärkste Argument für das Diakonat ist. Denn zum Unterschied von den niedrigen Weihen und dem Subdiakonat ist das“ Diakonat göttlichen Ursprungs, kann also niemals abgeschafft werden. Aber wenn Gott es selbst einsetzte, dann wird Er wohl besondere Aufgaben für den Diakon im Auge gehabt haben, und dieses nicht nur als eine Durchgangsstufe zum Priestertum betrachtet haben, ebensowenig wie ja das Priestertum „nur“ ine Durchgangsstufe zum Bischofsamt ist. Hier ist der Angelpunkt, von dem aus die ganze Lehre über das Diakonat entwickelt werden müßte. Von hier wäre auch zu zeigen, daß das Diakonat kein verhindertes Priestertum sein darf, daß von diesem Gesichtspunkt aus ein besonderes theologisches Studium von einigen Jahren zur Erlangung des Diakonats notwendig wäre. Ja, daß es eine eigene Berufung zum Diakonat geben müßte, wie es eine zum Priestertum oder zum mönchischen Leben gibt. Gerade diese Berufung müßte stark herausgearbeitet werden, um zu verhindern, daß die Diakone mit einem Minderwertigkeitsgefühl behaftet in ihr Berufsleben treten und die „individia diaconalis“ eine noch größere Standessünde wird als die „individia cleri-calis“ es bereits ist.

„Die Zeit ist noch nicht reif“, sagte der Papst, trotz der drohenden Priesternot. Sie kann gewiß früher reif sein, als wir alle glauben. Vor dreißig Jahren war die Einführung der Osternacht, die Feier der heiligen Messe am Abend unwahrscheinlich. Und plötzlich war die Zeit reif dafür. So kann auch die Einführung des Diakonats als eigener klerikaler Stand auf einmal brennend sein. Auf diesen Augenblick gilt es zu warten, gilt es, sich durch „ora und labora“ vorzubereiten.

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