Nicht gefragt: Verantwortung

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Josef K. wird eines Morgens verhaftet und muß sich verantworten. Er weiß nicht, warum und wofür. Er fühlt sich unschuldig.

Kafkas Prozeß ist ein Rätsel und unzählige Interpretationen wurden versucht. Sicher ist, daß er mit Österreich, mit Kakanien etwas zu tun hat, mit Bürokratie und mit der österreichischen Form des Absolutismus, der wohl noch immer nicht verschwunden ist. So ist Josef K. wohl auch der typische Österreicher, der für nichts verantwortlich ist, nicht einmal auf die Idee kommt, für irgend etwas verantwortlich sein zu können.

Nun ist Josef K. kein Politiker, geschweige denn ein Minister. Wäre er einer, wüßte er, daß er Verantwortung trägt, jedenfalls vor dem Wähler. Sie können Rechnungen präsentieren, alle vier Jahre, aber auch zwischendurch, in Umfragen, in der veröffentlichten öffentlichen Meinung.

Aber Josef K. ist Wähler, wäre es jedenfalls heute. Hat der Wähler Verantwortung? Wohl ja, aber vor wem? Vor Gott? Der ist ziemlich abgeschafft in diesem Zusammenhang, unter anderem weil die Realitätszwänge so viel mächtiger seien. Und wer erklärt, es mit Gott ernster zu nehmen, sagt dann lieber: "Die Kirche sagt ...", und die sagt besser nichts zu aktuellen politischen Fragen. Und wie ist es, wenn die Formierung der öffentlichen Meinung so gemacht wird, wie es in dem Land mit der größten Pressekonzentration der demokratischen Welt zu erwarten ist?

Vor wem sollte sich einer verantwortlich fühlen, der sich so in der Gunst dieser Öffentlichkeit sonnen kann? Vor wem sollte sich einer verantwortlich fühlen, dem täglich bescheinigt wird, daß er schon richtig liegt?

Ein Mensch ist zu Tode gekommen in der Folge der weithin anerkannten Flüchtlingspolitik unseres Landes. Ein Mensch ist zu Tode gekommen, weil bestimmte Handlungsweisen direkt zum Tod geführt haben, unbeabsichtigterweise natürlich.

Diese Handlungsweisen sind üblich und bekannt, aber dann doch weder üblich noch bekannt. Aber daß ein Mensch zu Tode gekommen ist, wird bedauert, aber ist nun einmal passiert. Grund zur Empörung gibt es nicht. Der Tod wird hingenommen.

Und wirklich verantwortlich ist niemand. Josef K. bleibt Österreicher.

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