Von Freiheit und Glück eines Volkes

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Wie kann man präzise messen, ob ein Volk verhältnismäßig glücklich ist? BIP-Niveau? Selbstmordrate? Übergewichtsrate? Emigrationshäufigkeit? Die theoretische Debatte dauert und wird gerade – krisenbedingt – heftiger.

In Polen ist es einfacher. Kein Eurobarometer ist notwendig, um beispielsweise die Gefühle in puncto Freiheit zu messen. Man geht am Sonntag in die Kirche und hört zu. Am Ende wird – an besonderen Festtagen – ein Kirchenlied gesungen mit der Endstrophe: „Unser freies Vaterland segne, o Herr!“ Wenn es aber schlimm wird, singt das Kirchenvolk: „Unser freies Vaterland gib uns, o Herr, wieder!“ Und man weiß sofort genau.

Vor 1989 hat man mal so, mal so gesungen, aber am 13. Dezember 1981 waren sich plötzlich alle einig: „… gib uns, o Herr wieder!“ – und es war klar, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis die Kommunisten verloren haben werden.

Wie kann man aber die Lage in anderen Bereichen messen? Kann man heute trotz der Krise glücklich sein? Vor Kurzem habe ich im Zentrum von Warschau eine riesige Gruppe Motorradfahrer gesehen, die alle als St. Nikolaus verkleidet waren. Es waren Hunderte da. Eine Werbeaktion? Eine Demonstration? Ich habe einfach nachgefragt. Ein Mann, nicht mehr ganz jung, sagte: „Ach nein, einfach so, wir haben uns übers Internet verabredet und machen spontan eine Nikolausparade.“

Pure Freude am Leben – so etwas wollte ich immer erleben. Diese viel geplagte Straße, wo die Mariahilf-Statue steht, die so viel Unglück, Horror, Straßenexekutionen und politische Verzweiflungsproteste gesehen hat, ist jetzt Ort einer spontanen Sonntagsparade.

Möge es so bleiben, jetzt und in Ewigkeit!

* Die Autorin war von 2000 bis 2004 Botschafterin der Republik Polen in Österreich

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