Gestutzte Lehramtsstudenten?

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2500 Studenten haben heuer in Wien ein Lehramtstudium begonnen. Zu Semesterende müssen alle eine Pädagogik-Prüfung mit Multiple-Choice-Fragen ablegen. Barbara Schneider-Taylor erklärt, was sie davon hält - als Bildungswissenschafterin und Prüferin.

Alle, die an der Uni Wien ein Lehramtsstudium machen, müssen zusätzlich zu ihren Unterrichtsfächern eine Prüfung in Bildungswissenschaften ablegen. Wer sie zweimal nicht schafft, darf in Wien nicht weiterstudieren. Barbara Schneider-Taylor war für die Erstsemestrigen-Prüfung zuständig. Wie sie mit der Verantwortung umgeht und was sie von Knock-Out-Prüfungen hält, erklärt sie im FURCHE-Gespräch.

Die Furche: Die Österreichische Hochschülerschaft sammelt gerade Stellungnahmen zu den neuen Prüfungen für Erstsemestrige. Ihre Pädagogik-Prüfung stößt dabei auf viel Kritik. Wie können Sie sich das erklären?

Barbara Schneider-Taylor: Beim ersten Termin sind mehr als 1300 Studierende angetreten, beim zweiten 500. Ich kann mir vorstellen, dass es allein wegen der hohen Zahl viele Rückmeldungen gibt. Aber gemessen an der Teilnehmerzahl sind prozentuell nur sehr wenige durchgefallen. Es war eine anspruchsvolle Vorlesung und eine schwierige Prüfung, aber mit Sicherheit keine Knock-Out-Prüfung. Das ist mit meinem Berufsethos nicht vereinbar. Wenn ich eine Vorgabe hätte, wie viele Studierende durchfallen müssen, würde ich die Einführungsvorlesung nicht mehr halten.

Die Furche: 1300 Studierende bei einer einzigen Multiple-Choice- Prüfung - macht das denn didaktisch überhaupt noch Sinn?

Schneider-Taylor: Mir war dieses Format eingangs sehr unsympathisch. Nachdem ich mich aber intensiv damit beschäftigt habe, weiß ich, dass ein anspruchsvoll konzipierter Multiple-Choice-Test nicht nur Wissen, sondern auch Verständnis abfragen kann. Trotzdem ist es didaktisch höchst problematisch, wenn dieses Format das einzige Mittel der Wahl ist. Auch wenn ich Fremdsprachenkenntnisse abprüfe und mich dabei auf Vokabeltests beschränke, erfasse ich wesentliche Züge ihres Zugangs zur Sprache nicht. So geht es uns bei dieser Prüfung auch. Mit einer Kombination aus einem kleinen Essay und einer Multiple-Choice-Prüfung wäre man sehr gut beraten. Aber das ist bei bei so einer großen Zahl an Studierenden schlichtweg nicht bewältigbar.

Die Furche: Wer Ihre Prüfung macht, möchte ja Lehrer werden. Kann man, Ihrer Ansicht nach, nach zehn Wochen im Universitätsbetrieb mit einem Test die Geeigneten von den Ungeeigneten trennen?

Schneider-Taylor: Die Eignung hinsichtlich der Studierfähigkeit eines bestimmten Faches ist das eine, die Eignung für einen bestimmten Beruf ist etwas anderes. Es gibt weder für das eine, noch für das andere zur Zeit ein Instrumentarium, um das erschließen zu können.

Die Furche: Trotzdem: Wer die Pädagogik-Prüfung nicht besteht, kann nicht mehr AHS-Lehrer werden.

Schneider-Taylor: Mir ist die große Verantwortung sehr bewusst. Der Druck auf die Studenten muss unendlich groß sein. Auch bei der Prüfungseinsicht ist sehr deutlich geworden, dass man Berufswünsche und geplante Karrieren gefährdet. Uns wurde diese Aufgabe aufoktroyiert, wir gehen sehr sachlich damit um. Jede Prüfung, die mit der Vergabe einer Berechtigung verbunden ist, hat zur Kehrseite den Ausschluss. Dass dieser ein lebenslänglicher sein soll, halte ich nicht für angemessen. Auch der Zeithorizont ist in meinen Augen ein systematischer Fehler: Lernen und Orientieren braucht Zeit. Man sollte die Studieneingangsphase zeitlich entzerren, etwa auf ein zweites Semester ausweiten. Ich plädiere dafür dass man die Studierenden dann in kleineren Lehrveranstaltungen zu einer Reflexion über ihre Kompetenzen oder Berufswünsche bewegt.

Die Furche: Wie sinnvoll ist denn ein rigides Aussortieren bei Lehramtsstudenten, wenn in Österreich ein Lehrermangel droht?

Schneider-Taylor: Das ist ein komplexes Problem. Man könnte auf die Vermutung kommen, dass die Studieneingangsphase auch als Steuerung von Studienplatzbewirtschaftung gedacht ist. Dem gegenüber steht der Lehrermangel. Es werden ja schon jetzt Studierende geradezu aus dem Hörsaal geholt, um schon in der Schule zu unterrichten. Hier widerstreiten sich die Interessen eines Arbeitsmarkts, der an einer nachwachsenden Lehrerinnengeneration interessiert ist, mit dem Interesse, innerhalb möglicher Ressourcen eine bestimmte Anzahl von Studierenden mit einem qualitativ möglichst hochwertigen Studium zu versehen.

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