Europas Erwachen - die Bronzezeit

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Eine Prachtausstellung in Bonn, die noch in Paris und Athen gezeigt wird, dokumentiert das erste "Goldene Zeitalter" unseres Kontinents.

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Eine Prachtausstellung in Bonn, die noch in Paris und Athen gezeigt wird, dokumentiert das erste "Goldene Zeitalter" unseres Kontinents.

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Manche Forscher sprechen vom "Ersten Goldenen Zeitalter Europas", in dem sich ungeachtet erheblicher geographischer, wirtschaftlicher, kultureller und religiöser Unterschiede, auch trotz sozialer Konflikte und Kriege doch eine Form kultureller Einheit in einer großen Region entwickelt hat, die sich vom Ural-Gebirge im Osten bis zum Atlantik im Westen von den Ländern Skandinaviens im Norden bis zu den Mittelmeerländern im Süden erstreckte.

Gemeint ist die Bronzezeit - etwa 2.400 bis 600 vor Christus -, deren reichhaltige und vielfältige Kultur auf einem nahezu unglaublichen, innereuropäischen Austausch von Waren, technischem Können und Ideen beruhte. So wurde Bernstein aus dem baltischen Gebiet in ganz Europa bis in die Ägäis gehandelt, wo er in den Besitz mykenischer Fürsten gelangte. Umgekehrt hielten die Techniken mykenischer Handwerker Einzug in die europäischen Werkstätten nördlich der Alpen.

Der Stadtzivilisation auf der Insel Kreta, die auf vorderorientalischem Muster aufbaute und sich etwa um 2.000 v. Chr. entwickelt, hatte, war nur wenige Jahrhunderte später, um 1.600 v. Chr., eine ähnliche Kultur auf dem griechischen Festland gefolgt, die Zivilisation von Mykene. Sie beherrschte bald das östliche Mittelmeer und übte auch bleibende Wirkung auf das Europa nördlich der Alpen aus. Die Entwicklung neuer handwerklicher Fähigkeiten war das Ergebnis der Einfuhr von Rohmaterialien aus weit entfernten Gebieten und eines zunehmenden Handels mit Luxusgütern.

Europas Erwachen ist derzeit Thema der 25. Europaausstellung ("Götter und Helden der Bronzezeit, Europa im Zeitalter des Odysseus") in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn, die noch bis 22. August läuft. Danach übersiedelt die Ausstellung nach Paris (Galeries Nationales du Grand Palais; 28. September bis9. Jänner 2000) und nach Athen (Archäologisches Nationalmuseum; 11. Februar bis 7. Mai 2000). Die Ausstellung versammelt über 250 Leihgaben aus 23 europäischen Ländern; einzigartige Schätze der Bronzezeit, die in 70 Museen Europas zu Hause sind.

Gold aus den mykenischen Königsgräbern ist ebenso zu sehen wie goldene Gefäße aus den Schatzfunden Mittel- und Nordeuropas; der berühmte, 1902 beim Überpflügen eines trockengelegten Moores bei Trundholm auf Seeland, Dänemark, gefundene Sonnenwagen ebenso wie Kultwagen aus Mitteleuropa und dem Mittelmeerraum. Waffen griechischer Bronzezeit-Helden werden neben Rüstungen von Stammesfürsten der nordeuropäischen Bronzezeit präsentiert; große Stelen aus behauenem Stein mit Heldendarstellungen, schwere Kultäxte, gehörnte Helme, Blasinstrumente wie die dänischen Luren und Blashörner aus Irland. Erstmals werden die vier bisher in Deutschland und Frankreich aufgefundenen Goldkegel (Goldhüte) gemeinsam ausgestellt.

Viele Ausstellungsstücke bekunden die Schritte der Menschen auf dem Weg der Metallverarbeitung mit dem neuen Werkstoff Bronze, einer harten Legierung aus Kupfer und Zinn. Zu den Schätzen der Epoche gehören aber nicht nur Arbeiten aus Bronze, sondern auch aus Gold, Silber, Ton, Elfenbein und Bernstein.

Besondere Bedeutung hatte für die Bronzezeit die Entstehung der griechischen Linearschrift in der Mitte des zweiten Jahrtausends v. Chr., die Anfang der Fünfzigerjahre dieses Jahrhunderts entziffert wurde.

Ausstellungsstücke dokumentieren die Verwendung dieser frühen Schrift, die auch beweist, daß die Bewohner der mykenischen Paläste griechisch gesprochen haben.

Zu den Hauptereignissen der Bronzezeit zählen der Trojanische Krieg und die Heimkehr des Odysseus, die in den Epen Homers, Ilias und Odyssee, erzählt werden. Mit Zitaten aus diesen Werken, die - um 750 v. Chr. verfaßt - Europas älteste Literatur darstellen und weit in die mykenische Bronzezeit zurückreichen, illustriert die Ausstellung eindrucksvoll das Leben der bronzezeitlichen Helden.

Höhepunkte der Ausstellung sind der Sonnenwagen aus Trundholm sowie die Goldkegel aus Deutschland beziehungsweise Frankreich. Der Sonnenwagen aus dem 14. Jahrhundert v. Chr. ist die größte und schönste Vollplastik der nordeuropäischen Bronzezeit. Die Deutung der Scheibe als Sonne, die auf einem Wagen über den Himmel gezogen wird, gilt als gesichert. Sie stellt eine Parallele zum vierspännigen Wagen des griechischen Sonnengottes Helios dar, mit dem der Gott im Lauf eines Tages den Himmel überquert. Auch die Goldkegel werden als Zeugnisse bronzezeitlicher Religionsausübung betrachtet, doch ist ihre genaue Funktion - Gefäß, Pfahlbekrönung, Kopfbedeckung - noch nicht eindeutig wissenschaftlich geklärt. Die Mehrheit der Experten plädiert für eine Deutung als Goldhüte, zeremonielle Kopfbedeckungen von Priesterkönigen, die in einem bronzezeitlichen Kult vom 14. bis ins 8. Jahrhundert v. Chr. eine herausragende Bedeutung gehabt haben könnten.

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