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Kulturen der Frühzeit: Indien und Amerika

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Dem Gustav-Kilpper-Verlag in Stuttgart gebührt das Verdienst, eine Serie über „Die großen Kulturen der Frühzeit“ herausgebracht zu haben. Nachdem die erste Folge die Welt des Vorderen Orients (Hethiter; Ur, Assur und Babylon; Ägypten; Kreta, Mykene und Troja; Perser; und die Welt der Bibel) behandelt hat, umfaßt die neue Folge die Nord- und SüdGermanen, die Kelten, die Etrusker sowie die Kulturen fernerliegender Völker: das alte China, das alte Amerika und das frühe Indien.

Das in dieser neuen Folge erschienene Werk von Professor Dr. Heinz Mode gibt einen hervorragend klaren Uberblick über die ältesten Kulturen auf indischem Boden. Das Hauptgewicht dieses Buches liegt in seinem Bildteil. Die rund 130 Seiten Text sind (von der leicht lesbaren Einleitung abgesehen) eigentlich eine Erläuterung zu dem klug ausgewählten Bildmaterial, das durch Kartenskizzen noch ergänzt wird. Es wäre vielleicht ratsam gewesen, den Fundkarten noch eine Zeittafel beizufügen, die die chronologische Stellung der einzelnen Kulturen dem Laien mit einem Blick veranschaulicht. Dennoch ist das Buch eine allgemeinverständliche Darstellung, die gerade dem Nichtfachmann eine gutfundierte Information über die indische Frühzeit ermöglicht.

Die Geschichte der indischen Kunst wurde früher vom Blickpunkt der klassischen Antike geschrieben und bewertet. Das ist heute nicht mehr der Fall. Gerade die Ausgrabungen der letzten Jahrzehnte in Indien haben die enge Verbindung Indiens mit der vorantiken orientalischen Welt erwiesen und stellen damit Indien in einen weit älteren Zusammenhang, aus dem heraus Indien in bezug auf seine Kunst und Kultur nicht als Ableger der Antike, sondern gemeinsam mit den altorientalischen Kulturen als ihr Ahne anzusehen ist.

Schon die eindeutige Datierung der ältesten indischen Hochkultur, der Industalkultur, die zwischen 2500 bis 1200 vor unserer Zeitrechnung anzusehen ist, läßt erkennen, daß der von unserer klassischen Archäologie und Philologie geprägte Begriff der ..Antike“ viel zu spät kommt, um diese Erscheinungen zu erklären. Es wird jedem mit der klassischen Antike vertrauten Leser dieses Buches auf das höchste überraschen, wenn er im. Bildteil auf Darstellungen stößt, wie zum Beispiel den Torso eines tanzenden Gottes oder die Statuette eines nackten Mannes, die Bronzefigui einer Tänzerin oder den Kopf eines bärtigen Mannes — Plastiken, deren lebendige Beweglichkeit, deren Hingabe an die Rundung der Körperoberfläche, deren Auflösung des Strukturellen in das Motorische, deren Durchblutung und Sinnlichkeit der ganzen Gestalt durchaus „griechisch“ anmuten Natürlich wurde die Datierung dieser Fundgegenstände von verschiedener Seite angezweifelt Aber sie sind eindeutig frühindisch, wie die Ähnlichkeit mit der Modellierung der Tierleiber auf den berühmten Siegeln von Mohenjo-daro und Harappa beweist.

Nicht minder groß ist das Erstaunen, wenn man die Luftaufnahmen und die Bilder von den ausgegrabenen Straßenzügen der großen Handelsstädte der Industalzivilisation betrachtet: richtig geplante Städte mit vorbildlichen Kanalisationsanlagen, öffentlichen Bädern, Getreidespeichern und schnurgerade ausgerichteten Werkhallen. Die Anlage dieser Städte ist weit moderner, geradliniger und hygienischer als jener, die wir aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. im Vorderen Orient kennen.

Es waren diese hochzivilisierten Handels- und Gewerbeleute, auf die die einwandernden Indoarier um 1200 v. Chr. stießen, als sie nach Belutschistan und ins Punjab vorrückten. Im Rigveda, dem ältesten Hymnenbuch, berichten die Arier über Städte und „Burgen“, die sie erst niederbrechen mußten, um in die Gangesebene einzudringen. Als Burgenzerstörer, Furamdara, wird Indra, der Hauptgott der Indoarier, angerufen, als Bezwinger der sieben Burgen der „Dasyus“, der „flachnasigen“, „mißredenden“ Vorbevölkerung.

Auf die Einwanderung der vedischen Arier folgt eine lange „dunkle Epoche“, aus der wir nur sehr spärliche archäologische Aufschlüsse haben. Die frühen Arier haben wohl hauptsächlich in vergänglichem Material, in Holz, Ton und Elfenbein, gearbeitet. Anderseits kennen wir aber ihre heiligen Schriften, die Veden, die neben Mythen und reli-

giösen Gesängen auch manche Hinweise auf historische Ereignisse enthalten. Und in. den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg beginnt auch die Wissenschaft des Spatens die ersten bedeutenden Ausgrabungsergebnisse aus der Zeit 1200 bis 300 v. Chr. zu machen. Mit der Maurya-Dynastie im 3. Jahrhundert n. Chr. beginnt das Erwachen der buddhistischen Frühkultur, deren großartige Architektur und Skulptur in dem Werk von Heinz Mode noch in einem eigenen Kapitel gewürdigt werden. Dieser neue große Aufstieg in Indien erfährt in der Gupta-Zeit (4. bis 6. Jahrhundert n. Chr.) seinen Höhepunkt und leitet sodann in das hinduistische Mittelalter über, das aber ebenso wie die islamische Epoche in diesem Buch nicht mehr näher behandelt wird.

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