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Auf den Spuren Heinrich Schliemanns

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Kreta, Mykene, Troja. Die minoische und die homerische Welt. Von Friedrich Matz. Reihe: Große Kulturen der Frühzeit. Herausgegeben von Helmuth Th. Bessert. 284 Seiten mit 114 Tafeln und einer Landkarte. Gustav-Kilpper-Verlag, Stuttgart. Preis 24.50 DM.

In der Einleitung zu seinem Werk „Trojanische Altertümer”, erschienen 1874 bei Brockhaus in Leipzig, schrieb Heinrich Schliemann, er habe hier „eine neue Welt für die Archäologie aufgedeckt”. Daß hat er in der Tat getan. Seine romantische Begeisterung für die Dichtungen Homers ließ ihn an dessen Worte „wie ans Evangelium” glauben. Mit dem Spaten wollte er die von Homer beschriebenen Burgen wieder ans Tageslicht bringen. Im April 1870 setzte er ihn zu einer ersten Versuchsgrabung auf dem Hügel Hissarlik in der Nähe der Dardanellen an. Hier mußte, so glaubte er, das Pergaipos des Priamos gelegen sein. Er hatte sich nicht geirrt — wenn freilich er selbst an der später so benannten Schicht VII a, dem homerischen Troja, vorbeigrub und ein tausend Jahre älteres Troja aufdeckte.

Schliemann hat dann noch das „goldreiche Mykene” und das von „Zyklopen erbaute” Tiryns in der Argolis ausgegraben: hier freilich war seine Aufgabe insofern leichter, als die Lage dieser Plätze unbestritten war (wenn freilich in den Reiseführern der damaligen Zeit zu lesen stand, daß in Tiryns nichts Interessantes zu finden sei). Die Entdeckungen Schliemanns erregten ungeheures Aufsehen; er wurde berühmt, aber die Wissenschafter sahen in ihm einen schrulligen Phantasten, wenn nicht gar einen Gaukler; so wie heute jemand als Phantast oder Gaukler gelten würde, wenn er behauptete, er habe das versunkene Atlantis gefunden oder mit Marsmenschen gesprochen. Nur in England fand er auch von wissenschaftlicher Seite die verdiente Anerkennung. „Ich wurde aufgenommen”, schreibt er, „als ob ich einen neuen Weltteil für England erobert hätte”.

Was Schliemann begonnen hatte, setzten andere fort. Mit immer exakteren Grabungsmethoden wurde die Arbeit in Troja (zuletzt vom Amerikaner C. W. Biegen in den dreißiger Jahren), auf dem griechischen Festland (in Mykene zunächst vom Deutschen G. Karo, dann vom Engländer Wace und von Griechen, in Tiryns von Kurt Müller) weitergeführt, die Schichten datiert und die Funde eingeordnet. Den Palast von Knossos auf Kreta, den Schliemann gemeinsam mit Dörpfeld ausgraben wollte (der Tod — 1890 — hinderte ihn daran, es zu tun), deckte der Engländer Evans seit 1900 auf. Wieder erschloß sich der Archäologie eine neue Welt. Heute liegt sie beinahe wie ein offenes Buch vor uns. Auch wenn es in minoischer Zeit schon eine Schrift gab (Linear A in Kreta; Tafeln mit Linear B wurden auch in Mykene und Pylos gefunden), so rechnen wir die minoische und die homerische Welt doch nur zur Vorgeschichte — zu dürftig ist der Inhalt der gefundenen Schrifttafeln, auf denen meist nur Kaufmannsrechnungen über Getreide und Sklavenarbeit stehen . . .

Lieber die Urgeschichte des ägäischen Raumes unterrichtet am besten das Werk von Fritz Schachermeyer „Die ältesten Kulturen Griechenlands”, erschienen 1955 bei Kohlhammer in Stuttgart. Ueber die folgende Zeit finden wir Aufschluß vor allem in zwei populäreren Werken: In „So lebten die G.iechen zur Zeit Homers” von Emile M. i r e a u x (soeben erschienen in der DVA,

Stuttgart) und in „Kreta, Mykene, Troja von Friedrich Matz (Küpper, Stuttgart).

Das Werk des Marburger Gelehrten Friedrich Matz gibt eine vorzüglich geschriebene Einführung in den ägäischen Kulturkreis. Leicht faßlich, dabei vollkommen sachlich und mit überlegener Detailkenntnis erläutert er zunächst den Uebergang von der Steinzeit zur frühen Metallzeit in Troja, auf dem Festland, auf den Kykladen und auf Kreta, der sich um 2600 v. Chr. vollzog. Auf Kreta begann die früminoische Kultur, auf dem Festland die früh- helladische. (Die Bezeichnung „minoisch” stammt von Evans, der sie nach dem sagenhaften Kreterkönig Minos prägte. Ihr entspricht in Griechenland die Bezeichnung „helladisch”).

Der ‘erste Hauptteil entwirft dann ein Bild der Glanzzeit des Inselrciches des Minos, die bis 1425 v. Chr. währte. Ungefähr um diese Zeit wurde der Palast von Knossos zerstört, es folgt — bis etwa 1150 v. Chr. — die ärmliche minoische Spätzeit.

Die Blütezeit von Mykene und Tiryns fällt in die beiden Jahrhunderte nach der Zerstörung von Knossos. Sie ist bedeutend kriegerischer als die mehr dem Lebensgenuß zugewandte minoische Glanzzeit. Es ist die griechische Heldenzeit, die Welt Homers. Die Zerstörung Trojas — der Sage nach durch Agamemnon von Mykene und Menelaos von Sparta — erfolgte um 1200 (1185?) v. Chr., um 1150 werden Mykene und Tirnys zerstört. Geblieben sind gigantische Trümmerstätten, auf denen heute Hirten ihre Schafe weiden. Um 1150 begann die ägäische Wanderung, eine der größten Völkerwanderungen der Menschheitsgeschichte; die „Dorische Wanderung” bezeichnet nur einen Teilaspekt dieser Bewegung.

Homer lebte etwa 750 v. Chr. Ihm wird die „Ilias” zugeschrieben. Die Odyssee entstand, wie wir heute annehmen, erst etwa 100 Jahre später. In der „Ilias” und der „Odyssee” verbinden sich alte mythische Elemente mit ungenauen historischen Ueberlieferungen. Vieles, was sich Jahrhunderte früher ereignete, erscheint im Gewand der Zeit, als Homer lebte. Es war der Archäologie vorbehalten, uns ein genaueres Bild der griechischen Heldenzeit zu vermitteln. Wenn auch Homer in vielem recht gehabt hat...

Das Buch von Matz hat neben dem Textteil einen gleich vorzüglichen Tafelteil. Gemeinsam geben sie ein beinahe lückenloses Bild einer versunkenen Epoche.

Das Buch „Kreta, Mykene, Troja” gehört der Reihe „Große Kulturen der Frühzeit” an, die bestrebt ist. ein genaues Panorama der alten Kulturen des Mittelmeerraumes zu vermitteln. In dieser Reihe sind außerdem erschienen: „Ur, Assur und Babylon”, „Die Welt der Hethiter”, „Die Welt der Aegypter”, „Die Welt der Perser”, „Die Welt der Bibel”. Der Vorzug dieser Bände ist es — das kann von allen gesagt werden —, die Stoffülle sachlich einwandfrei und dabei anschaulich darzubieten.

Das wiederentdeckte Karthago. Von Gilbert Picard. Mit einem Beitrag „Die Welt der Phönizier” von Sibylle von Cles-Reden. Verlag Heinrich Scheffler, Frankfurt am Main. 216 Seiten mit 3 Karten und 56 Abbildungen auf Tafeln. Preis 18.50 DM.

Eine jüngere Welt als die minoische und homerische wird uns in diesem Band eröffnet. Karthago wurde um 800 v. Chr. von den Phöniziern gegründet. Dabei spielte sich die bekannte Geschichte ab: Dido bot den Eingeborenen den Kaufpreis für das Stück Land, das von einer Kuhhaut bedeckt würde — dann ließ sie diese Kuhhaut in dünne Streifen schneiden, die einen ganzen Hügel einfaßten. (Es geht doch nichts über Weiberlistl) Karthago wurde Kart Hadascht genannt („neue Hauptstadt”), was zeigt, daß die phönizischen Kolonisten von der alten Hauptstadt Tyros in der Levante von Anfang an ganz unabhängig sein wollten.

Karthagos Blütezeit begann erst nach 540 v. Chr.,

als die Karthager gemeinsam mit den Etruskern bei Korsika über die Griechen siegten. Vier Jahrhunderte später, 146 v. Chr., wurde Karthago durch Scipio africanus dem Erdboden gleichgemacht.

Das Buch wurde von Frau von Cles-Reden, der

Verfasserin von „Das versunkene Volk — Welt und Land der Etrusker”, aus dem Französischen übersetzt und mit einer Einleitung über die Phönizier, das Volk der Mittler, versehen.

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