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Sport in der Vorzeit

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Di frage, seit wann es Sport in unserem heutigen Sinne gibt, führt uns in weit zurückliegende Epochen menschlicher Lebensformen. Die frühesten Kulturstufen kennen die Menschen als Jäger und Sammler. Das erforderte unerhörte, vor allem physische Anstrengungen im Marsche und im Laufe. (Der Buschmann der Kalaharisteppe ist imstande, die flüchtige Antilope zu Tode zu hetzen.) Aber nicht allein auf Geschwindigkeit und Ausdauer kam es an, sondern auch auf die Geschicklichkeit und Treffsicherheit etwa beim Wurfe des Steins oder Speers. Was scheint daher naheliegender als der Gedanke, die Jäger der Horde hätten zuweilen im Wettstreit die Schnelligkeit ihres Laufes, die Weite und Treffsicherheit des Wurfes erprobt? Also Betätigung aus reiner Freude an ihr und im befeuernden Wettkampfe. Aber weder Bodenfunde noch Bildnisse geben uns darüber Auskunft und schriftliche Quellen erschließen sich uns erst ganz spät, zur Zeit der Antike. Ziehen wir die Völkerkunde zum Vergleidie heran. Wir erfahren da zu unserer Überraschung etwa aus den umfassenden Beobachtungen H. A. Bernatziks, daß zum Beispiel die Südseeinsülaner eine eigentliche sportliche Tätigkeit nicht kennen. Sie, die sich auf mannigfachste Art täglich ausgiebig körperlich anstrengen, tragen keinerlei Verlangen, dieselbe Gymnastik um ihrer selbst willen zu treiben. Hervorragende Geschicklichkeit und außerordentliche Fertigkeit sind etwas Selbstverständliches.

Jahrzehntausende später. Der nordische Kulturkreis der Spätjungsteinzeit (3000 bis 1900 v. Chr.) kannte den zweirädrigen Wagen und das Pferd. Die Züchtung des Pferdes ist zweifellos innerasiatischen Völkern zu verdanken und weit war der Weg der Vermittlung bis nach Nordeuropa. Seltsamerweise wurde das Pferd mehr als ein Jahrtausend nur zum Fahren verwendet; erst nach 900 v. Chr. wurde auch die Reitkunst bei uns bekannt, worauf unter anderem der Gebrauch der typischen Reiterkleidung, der Hose, hinweist. Und nun erschließt sich uns für den sicheren Nachweis sportlicher Betätigung eine überaus reiche Quelle in den Bildstreifen der kegelförmigen Bronzeeimer der Hallstattzeit, den Situlen, die aus Venetien stammen. Immer wieder begegnen Darstellungen von Wagenrennen, von Reitern und Boxern. Wenn es sich auch im vorliegenden Falle um Leichenspiele handelt, so ist doch an dem sportlichen Charakter dieser Übungen nicht zu zweifeln. Da gibt es Preisrichter und Kampf- preise. Die Situlenkunst stammt letzten Endes aus Jonieh und die Griechen waren ja das Sportvolk par excellence, dem die Einrichtung und Ausgestaltung der Olympischen Spiele zu danken ist. Nach diesen, die alle vier Jahre stattfanden, wurde bekanntlich die Zeitrechnung eingerichtet; 776 v. Chr. wurde die erste Olympiade veranstaltet.

Die Wintergleitgeräte wurden naturgemäß im hohen Norden erfunden und ausgebildet. So reicht die Erfindung des Schlittens mit Kufen in die Nacheiszeit. Skier sind für die Spätjungsteinzeit (3000

bis 1900 v. Chr.) für Shweden bezeugt. Ihre Altersbestimmung erfolgte auf Grund des Hundertsatzes an Blütenstaubkörnern, wie sie je nah den Temperaturverhältnissen in den vershiedenen Torfshihten in verschiedener Menge abgelagert wurden. Eine schwedische Felszeihnung des zweiten Jahrtausends v. Chr. zeigt einen im Shuß abfahrenden Skiläufer mit Skistock. Ist damit auch der sportlihe Charakter noch niht erwiesen, so mähen es ein Beriht Plutarhs (2. Jahrhunden n. Chr.) und spätere Nachrichten über außerordentliche Skileistungen wahrscheinlich, daß der Skisport frühzeitig geübt wurde und sehr angesehen war.

In des Verfassers Sammlung von Wiener Altertümern sind vier Bruchstücke von Knochenschlittschuhen besonderer Beachtung wert. Es sind Langknohen vom Rind und Pferd, auf einer Seite glatt poliert. Sie stammen aus dem Fundament einer bronzezeitlihen Hütte des zweiten Jahrtausends v. Chr. und eines Germanenhauses des zweiten Jahrhunderts n. Chr. in Wien-Aspern. Was für eine herrliche Eisbahn boten bei strenger Kälte die ausgedehnten Auwässer der Donau! Wie vor Jahrtausenden der Urmensch, fertigte noch vor einigen Jahrzehnten die Jugend am Plattensee ihre Schlittschuhe aus Pferdeknochen, und noch heute ist das „Boan- schlittelfahren” auf dem Trumersee in Salzburg und auf einigen oberösterreichischen und oberbayrischen Seen sehr beliebt. Auf einem Brett sind zwei zurechtgerichtete Langknochen als Kufen befestigt, und stehend oder sitzend treibt der Fahrer den Schütten mit zwei Stachelstecken vorwärts.

Naturfreude und Sportbegeisterung spricht deutlich aus einem Berichte Plutarchs über die Kimbern und Teutonen. Als diese im Winter des Jahres 102 v. Chr. im oberen Etschtal den Römern gegenüberlagerten, ließen sie sich die entblößten Körper anschneien und erkletterten steile Felshänge, um zur nicht geringen Verwunderung ihrer Feinde in Ermangelung einer anderen Gleitgeräts auf ihren Schilden im Schuß abzufahren. Und von was für eindrucksvollen Leistungen hören wir in den „Norwegischen Königsgeschichten”! Der besonders kühnen Abfahrt eines Skifahrers zollte König Harald Schönhaar (872 bis 933) ehrende Anerkennung. Zu welcher Vermessenheit sich das Verlangen, unmöglich Scheinendes zu erleben, steigern konnte, beweist das Beispiel des Königs des Harten (1046 bis 1066). Er forderte von dem berühmten Skiläufer Heming Aslaksson eine Abfahrt auf einem unerhört steilen, steinigen und vereisten Hang, der in einen Abgrund mündete. Im Falle seiner Weigerung vom König mit dem Tode bedroht, unternahm der Unerschrockene dieses Wagnis. Er kam mit dem Leben davon, denn beim Sturze in den Abgrund blieb er glücklicherweise an einer Felszacke hängen.

Ein überaus anschauliches Zeugnis für Felsklettern als Gegenstand einer leidenschaftlichen Wette enthält die Lebensbeschreibung des als Bekehrer zum Christentum bekannten Königs Olaf Tryggvason (gest. 1000 n. Chr.). Von zwei seiner Mannen, von denen der eine einen Goldring, der andere sogar sein Leben als Pfand im Wettstreit um die Bezwingung einer unerhört schwierigen Felsspitze eingesetzt hatte, mußte der eine unverrichteterdinge umkehren, der andere geriet in höchste Bergnot, aus der ihn nur der Herrscher, ein unerreichter Meister im Klettern, zu befreien vermochte.

Daß auch der Vorzeit verschiedener Sport nicht fremd war, ist durch Bild und Schrift mehrfach erwiesen. Die hohe Stufe desselben in historischer Zeit und die große Sportbegeisterung lassen ihn auch für Zeiten annehmen, für die archäologische Quellen fehlen. Es ist die jahrtausendealte Freude an lebhafter Bewegung, Kraft, an hohem Mut, Behendigkeit und Ausdauer, am fröhlichen Wettkampfe mit andern, an Bestleistungen, deren augenfälligste Manifestation heute so wie einst die Olympischen Spiele sind.

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