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Etruskische Kunst

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Die ausgezeichnete, eindrucksvolle und schöne Ausstellung „Kunst und Kultur der Etrusker“ in der Neuen Hofburg (Eingang Burggarten), die von der österreichischen Kulturvereinigung in Zusammenarbeit mit dem Italienischen Kulturinstitut veranstaltet wird, beweist, daß ein Verlust zu einem Gewinn werden kann. Als Wien vor zehn Jahren durch ein Zusammenwirken von unseligen Umständen von der Europatournee der großen Schau „Kunst und Leben der Etrusker“ ausgenommen blieb, sah es aus, als ob nie mehr eine Chance bestünde, hier ein ähnliches Unternehmen zu verwirklichen. Der aufopfernden und unermüdlichen Tätigkeit Prof. Herbert Gaisbauers und Dr. Walter Zettls ist es nun gelungen, aus den wichtigsten italienischen Sammlungen Objekte zu bekommen, die, zwar dm reduzierten Maßstab, dafür aber um so übersichtlicher und eindringlicher das Bild einer Kultur entwerfen, wie es sich nach den allerletzten Funden und Erkenntnissen darstellt.

Die Etruskologie ist in den letzten zehn Jahren mit Riesenschritten vorangekommen. Gewaltige neue Fundgebiete, wie Pyrgi, Spina, Roselle, Quinto Fiorentino und Marzabotto, wurden aufgeschlossen, und das oft geheimnisvolle Dunkel, das über dieser Kultur lag, beginnt sich mehr und mehr zu lichten und seine Rätsel preiszugeben. Die italienische Forschung hat hier eindrucksvolle Leistungen vollbracht.

Die Kunst und Kultur Etruriens, das zu seiner Hochzeit ungefähr die Gebiete der heutigen Toskana und der westlichen Gebiete Latiens und Umbriens umfaßte, sind in ihren Verknüpfungen mit Griechenland, dem Orient und dem werdenden Rom von so wesentlicher Bedeutung für das Wachsen der römischen,

“ italischen Kultur, daß verschiedene ! Wesenszüge später Entwicklung i selbst bis in die Renaissance hinein ) ohne sie nicht denkbar erscheinen.

• Der aggressive, über das Physio- : gnomische hinausgehende Realismus - etruskischer Portraitkunst, der sich 1 etwa in den beiden großartigen 1 Terrakottaköpfen Nr. 331 und Num- 1 mer 339 zeigt, hat seine Wirkungen ' auf die römische Bildniskunst ge- ; habt und wirkt in geradezu unheim-

• licher Weise noch in einem so ; späten, faszinierenden anonymen

1 Zeugnis wie der Terrakottabüste Karls VIII, von Frankreich im Bar- ghello von Florenz nach, ja, man

’ meint seine Einflüsse noch bei vielen toskanischen Malern, wie Masaccio und Piero della Francesca, zu spüren. Kulturell waren die Etrusker, vor allem in der archaischen Epoche, mit Griechenland verbunden. Rätselhafter Herkunft — nach den Theorien entweder aus dem Norden kommend oder ortsansässig, aber wahrscheinlich doch aus Kleinasien stammend —, standen sie im Wettstreit um die Handelswege des Mittelmeeres mit den Griechen, gegen die sie sich mit den Puniern verbündeten, dann im Kampf mit Rom, das sie schließlich unterwarf und absorbierte. Sie waren Bauern, Händler zur See und an Land, grausame Krieger und Piraten. Ihre Stadtkulturen und Städtebünde kannten äußersten Luxus, reichgeschmückte Häuser und Tempel (nach griechischem Vorbild, aber aus Holz, mit Terrakotten verziert) und Gräberstädte, die ein dem Ägyptischen nicht unähnliches Betonen des Lebens nach dem Tode bezeugen. Ihre Gräber, dem Innern der Häuser nachgebildet, liefern in ihren Wandgemälden und reichen Grabbeigaben — importierte und eigene Tonwaren, Geräte und Sarkophage

if — ein plastisches Bild etruskischen n Lebens. Die Götterplastiken, in Ton st die griechischen und archaischen - Vorbilder aus Stein nachahmend, be- ie sitzen doch eine eigene Note. Das ). Maß der Griechen scheint ihnen n fremd, eine seltsam kühne Wildheit, n etwas Ungezähmtes geht von ihnen i- aus, barbarische Dekoration wuchert st in seltsamer Dekadenz, die Sarko- n phaigfiguren beeindrucken in ihrer ;e oft plumpen, manchmal monumen- z. talen Vereinfachung.

l_ In dieser Kunst liegt eine gewisse Dämonie. Löwen, Schimären, Sphinxe und Greife weisen auf östliche und magische Wurzeln, die Anpassungsfähigkeit an Vorbilder auf starke sinnliche Sensibilität, der h spontane Realismus auf eine Vita- t. lität, der das Komplexe und Speku- d tive griechischen Denkens fremd ist, n das Betonen des Jenseitigen in o seiner Sinnlichkeit auf Spannungen, n die der Daseinsfreude ihr eigenes s Gewicht verleihen. Die verschmel- t zende und einschmelzende Kultur s Etruriens, die ihr eigenes Gesicht bewahrte, hat gemeinsam mit Griechenland die Zivilisation Roms r und das Römische Imperium ge- ß schaffen, dem italischen Charakter j. jene robuste Vitalität verliehen, der į ihn noch heute auszeichnet. Daß diese vorbildlich klare und wirklich essentielle Ausstellung imstande ist, o diese Erkenntnisse zu schaffen, ist

- allen Beteiligten zu danken, vor

- allem dem italienischen Staat, der r diese großzügigen und großartigen

- Leihgaben möglich machte, und Pro-

e fessor Gaisbauer, dem beharrlichen r Verwirklicher dieser einmaligen i Schau.

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