6678649-1961_33_14.jpg
Digital In Arbeit

Geschichte nichtgenügend

Werbung
Werbung
Werbung

Sogar der Exekutivrat des italienischen Produzentenverbandes mußte sich mit der leidigen Angelegenheit befassen. Es geht um die „films in costume“, die Kostümfilme, die in zunehmendem Maße produziert werden, teils eigen, teils mit ausländischen Partnern. Etwa vierzig dieser „Schinken“ wurden im vergangenen Jahr hergestellt; weitere sechzig sind in Arbeit oder geplant. Und diese Inflation an verfilmter Historie oder Mythologie (sie ist beinahe noch gefragter) bereitet den Verantwortlichen, an der Spitze Eitel Monaco, dem international bekannten Präsidenten der ANICA, doch erhebliche Sorge. So bieten sie denn Einhalt: „cambiare strada" — die Straße wechseln, eine andere Richtung einschlagen, das ist ihr dringender Appell. Ob er befolgt werden wird?

Manchem dürfte das schwerfallen. Schließlich war die bisherige Beschäftigung mit der Renaissance, dem Mittelalter, der Antike und der mythologischen Vorzeit doch recht ergiebig. Viele dieser Streifen füllten die Kassen, in Italien und anderswo, vor allem in Spanien, in Südamerika und dem Mittleren Orient. Auch bei uns liefen einige davon, so zum Beispiel „Kreuz und Schwert“, „Im Zeichen Roms“, „Herodes — Blut über Jerusalem“, „Die Liebesnächte der Lucrezia Borgia“. Doch nach und nach machten auch die Amerikaner filmische Rück- und Mißgriffe in die, JHi tQrie, bis hin zu den Wikingern, zu biblischen Gestalten wie Salomon und Ruth; weswegen es denn geraten erscheint, auf diesem Gebiet eine gewisse Zurückhaltung zu üben — schließlich ist man, zumal bei dem auf die Dauer unausbleiblichen Qualitätsschwund, der US-Konkurrenz so leicht nicht gewachsen, auch mit den Muskelpaketen des kinemato- graphisch so strapazierten Herkules nicht, dem gegenüber Tarzan vorübergehend abfiel.

Freilich versuchen die Italiener vorläufig noch, das Terrain zu halten, hauptsächlich in der Abteilung römische Geschichte. Sie beginnt, wie erinnerlich, mit einem trojanischen Helden, der nach dem Fall seiner Heimatstadt lange herumirrte, bis er endlich in Latium landete, wo er Ahnherr des Geschlechtes der Julier wurde. Und so heißt denn einer der geplanten Filme „Äneas und die Gründung Roms“, ein zweiter einfach „Die Gründung Roms", ein weiterer „Rom im Jahre 670 vor Christus“. Zwei andere Filme befassen sich mit Romulus und Remus, der Sage nach ebenfalls Stadtgründern. Ferner sind projektiert Streifen über Cäsar (gleich doppelt), Caligula, Claudius, Tiberius, Konstantin den Großen (sogar dreifach), sodann Britannicus, Cicero, Horaz, Archimedes (samt der Belagerung von Syrakus, also auch zweimal) und die Damen Cleopatra, Fabiola, Messalina, Popäa.

Immer noch bevorzugt wird bei den Vorhaben der — von den Amerikanern sträflich vernachlässigte — mythologische Bereich. Beabsichtigt sind da eine „Ilias“, eine „Äneis“ (nochmal — vielleicht nach Vergil?), die „Argonauten" sowie Filme um Achill, den Peliden, Herkules, jetzt als Liebhaber und Kämpfer gegen die Götter, Theseus, einmal mit Ariadne, einmal gegen den Minotaurus. Ferner aus der griechischen Geschichte, um die sich Hollywood nach dem Reinfall mit dem Troja-Film auch nicht mehr sonderlich kümmert: „Sappho, die Venus von Lesbos“, „Die Schlacht von Marathon", „Die Schlacht bei den Thermopylen“.

Der nach wie vor ausgebeuteten Bibel verpflichtet sind die Projekte „David und Goliath", „Sodom und Gomorra“, „Die Liebschaften Samsons", „Die Sintflut“, „Babylon“, „Juda“, neutestamentarisch „Pontius Pilatus“ und „Barabbas“. Auf altägyptische Stoffe gehen — neben der schon genannten „Cleopatra" — „Die Frau des Pharao“ und „Nofretete, Königin des Nils“, zurück. Übrigens ist mit der Pharaonenfrau ebenfalls Nofretete gemeint, nur hat sich der Titel geändert, weil die beiden Produzenten der Filme darüber in Streit gerieten. Nach heftigen Auseinandersetzungen zwischen Ottavio Poggi, der schon den „Hannibal“ gedreht hatte, und der Explorer-Vanguard- Film (von der man eigentlich annehmen müßte, daß sie sich kinematographisch im Weltraum tummelt) wurde eine Einigung über diese Bezeichnungen erzielt, vermutlich jedoch nicht die Möglichkeit einer Coproduktion erörtert — also wird es demnächst zwei Streifen über diese rätselhafte Ägypterin geben…

Auch sonst wird geschichtlich noch allerlei geboten werden, so von „Friedrich Barbarossa“ bis zum „Grafen von Monte Christo“, von „Dante und Beatrice" bis „Simon Bolivar". Dazu die „Mongolen", diverse Königinnen der Barbaren, Tataren usw. Und die Sujets zur Erinnerung an das vor hundert Jahren erfolgte „Risorgimento“, die italienische Einigungs- und Freiheitsbewegung — hier auch mit Unterstützung von Hildegard Knef, die in der „Straße der Giganten" (Eisenbahnen im 1860 einverleibten Großherzogtum Parma) eine Hauptrolle spielt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung