Jede Menge Sand im Komödiengetriebe

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Am Theater in der Josefstadt ist Georges Feydeaus Klassiker "Ein Klotz am Bein“ in der Regie von Michael Kreihsl zu sehen. Der Produktion mangelt es an Tempo und Leichtigkeit.

Das Spiel mit Worten ist bei Vaudeville-Komödien Programm: "Das Glas Wasser“, "Die Katze im Sack“, "Der Fuß in der Schlinge“ - je rätselhafter dabei der Titel, desto größer der Spaß, der sich dahinter versteckt. "Ein Klotz am Bein“ von Georges Feydeau bildet da keine Ausnahme. Das Meisterwerk französischer Komödienkunst aus dem Jahr 1894 versteht es, gekonnt nach alter Vaudeville-Tradition musikalische Tanzeinlagen, slapstickhafte Varieténummern sowie feinsinnigen Humor mit derbem Wortwitz zu verbinden. Einmal in Gang gesetzt, läuft die Scherzmaschine zur Hochform auf und schleudert ihre Gags im atemberaubenden Tempo heraus.

Pointenfeuerwerk

Die Handlung gerät dabei fast zur Nebensache, wichtig ist das perfekte Timing, ein gleich zu Beginn etablierter Gag muss die ganze Szene lang in immer neuen Variationen seinen Wort- und Situationswitz versprühen können. Dafür reicht schon eine Zeitung, in der eine unliebsame Nachricht versteckt ist, und die deshalb immer wieder verborgen werden muss, jedoch ständig aufs neue auftaucht, um dann aller Wahrscheinlichkeit zum Trotz doch nicht entdeckt zu werden. Oder ein gutmütig-harmloser Tollpatsch, der es immer wieder schafft, genau zur richtigen Zeit am falschen Ort zu erscheinen und der das nichtsahnende Opfer ständig neuer Verwechslungen wird. Je unwahrscheinlicher und tolldreister dabei die Ereignisse aufeinanderfolgen, desto glanzvoller leuchtet das Pointenfeuerwerk auf.

Mademoiselle Lucette Gautier (Sona MacDonald), zweitklassige Varietékünstlerin und Chansonette, ist entzückt, ihren Geliebten Fernand de Bois d’Enghien (Raphael von Bargen) nach wochenlanger Liebespause wieder in die Arme schließen zu können. Der aber wartet eigentlich nur auf einen günstigen Augenblick ihr von seiner Verlobung mit der kaltschnäuzigen Aristokratentochter Viviane (Ruth Brauer-Kvam) zu erzählen. Da dieser Moment aber immer wieder durch die absurdesten Störungen hinausgezögert wird, kommt es im Schlafgemach der zukünftigen Schwiegermutter (Gertraud Jesserer) zum ultimativen Showdown. In deren Folge werden sämtliche Verwicklungen und Verwechslungen aufgedeckt, und nach all den Aufregungen geht der zweite Akt zu guter Letzt mit einer rasanten Verfolgungsjagd zu Ende. Danach werden die bislang so vehement verteidigten Moralvorstellungen über Bord geworfen und ein frisch zusammengemischter Liebesreigen beginnt sich aufs Neue zu drehen. Die hintergangene Braut ist froh darüber, doch keinen Langweiler geheiratet zu haben und verzeiht dessen Eskapaden. Auch die betrogene Geliebte nimmt ihr schlampiges Verhältnis mit Fernand wieder auf und kriegt obendrein noch einen ganz und gar stattlichen General (Toni Slama) zum Geschenk. Nur der arme tölpelhafte Bouzin (Siegfried Walther), Notariatsgehilfe und erfolgloser Chansondichter, steht zum Schluss ohne Hosen mitten im neuerwachten Gefühlstaumel. "Solange die Linke nicht merkt was die Rechte tut, ist alles erlaubt“, lautet die zynische Botschaft dieses Stücks. Feydeau zerlegt dafür genüsslich bürgerliche Wertvorstellungen von Treue, Sittsamkeit und Tugendhaftigkeit und entlarvt diese in all ihrer scheinheiligen Doppelmoral.

Michael Kreihsl, der zuletzt die beiden Daniel-Glattauer-Romane "Gut gegen Nordwind“ und "Alle sieben Wellen“ für die Kammerspiele inszeniert hat, nimmt sich des französischen Theaterklassikers an und errichtet auf der Josefstadtbühne die ideale Vaudeville-Kulisse: genügend Türen, einiges an Blumenschmuck und zahlreiches unnützes Mobiliar, über das es sich vortrefflich stolpern lässt.

Gertraud Jesserer, herrlich unaufgeregt

Unglücklicherweise erleidet diese Aufführung gleich von Beginn weg eine Fehlzündung und ist fortan trotz knallender Türen und brav arrangierter Slapstickeinlagen nicht mehr richtig in Gang zu bringen. Das liegt nicht nur an der tempoarmen Inszenierung, sondern auch am übertriebenen Schauspiel der Protagonisten. Es fehlt an der nötigen Leichtfüßigkeit, um den bissigen Humor Feydeaus glaubwürdig über die Bühne bringen zu können, so wirkt etwa Bargen als liebestoller Fernand bereits gehetzt noch bevor die Jagd auf ihn beginnt. Einzig die herrlich unaufgeregte Art Jesserers, die mit stoischer Ruhe den absurdesten Situationen trotzt, bringt ein wenig Glanz ins Stück.

Kurz vorm gemeinsamen Schlusschanson wird dem abtrünnigen Vorstadtcasanova Fernand noch die Pistole an die Brust gesetzt, die sich glücklicherweise aber als harmloser Fächer entpuppt. "Viel Wind um Nichts“ also, wie es an einer Stelle im Stück treffend heißt, leider kann dieser Fächer die heiße Luft, die im Laufe des Abends aufgewirbelt wurde, am Ende nicht in einen stürmischen Premierenapplaus verwandeln.

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