Über Lohnverzicht in die Deflation

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Die Umverteilung in der Krise heißt zunächst nicht Reichensteuer, sondern Lohnverzicht. Experten warnen vor der dramatischen Konsequenz: Deflation.

Da war es wieder, dieses Gerede in der Kantine, bei der Bushaltestelle vor dem Magna-Werk in Graz-Liebenau, im Wirtshaus nach der Schicht: die Gerüchte über die "schwarze Liste" beim Autozulieferer, auf der all jene Mitarbeiter vermerkt würden, die einem Lohnverzicht nicht zustimmen würden. Die Verweigerer, so hieß es, würden als nächstes gehen müssen. Während der Betriebsrat noch wacker abriet, sammelten sich bei der Unternehmensführung mehr als 2000 Einverständnis-Erklärungen verunsicherter Arbeitnehmer. Auf 5 bis 20 Prozent ihres Gehalts werden die Magna-Mitarbeiter in Österreich verzichten - ein Beitrag zur Krise - und einer, der Schule machen wird.

Während in Wien die Gewerkschaften mit den Arbeitgeber-Vertretern in den Kollektivvertragsverhandlungen noch um drei Prozent mehr Lohn ringen, hat hinter ihrem Rücken ein gegenläufiger Trend eingesetzt: Gehaltsabbau: Gemessen an Magna scheint die Industriellenvereinigung mit ihrer Forderung nach einer Nulllohnrunde geradezu bescheiden.

Großunternehmen kürzen Lohn

Österreich bildet mit dieser Entwicklung durchaus keine Ausnahme: In Deutschland sind vor allem große Industriebetriebe dazu übergegangen, von den Arbeitern Lohnverzicht zu verlangen, bei Daimler, Sachs und Bosch sind die Gehaltsminderungen schon Realität. In Frankreich gilt dasselbe für die großen Autohersteller.

Die Gewerkschaften laufen dagegen Sturm. "Das Beispiel Magna ist ein Anschlag auf die solide Lohnpolitik", protestiert Rudolf Kaske, Chef der Privatangestelltengewerkschaft vida im FURCHE-Interview. "Besonders empörend ist, dass im gleichen Atemzug bekannt gegeben wird, dass Magna noch über 1,5 Milliarden Dollar Cash hat, um bei Opel einzusteigen. Wie passt das zusammen?" Auch SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter sieht im Lohnverzicht "das ganz falsche Mittel in der Krise. Damit fördert die Wirtschaft genau das, was man am wenigsten brauchen kann. Nämlich den Rückgang des Konsums".

Auch Wirtschaftsforscher warnen vor einer düsteren Konsequenz der Entwicklung: der Deflation - zumindest tun sie das in Österreichs Nachbarland Deutschland. Sinkende Löhne, so die Annahme, hätten geringere Kaufbereitschaft und damit sinkende Preise zur Folge. Einmütig traten das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung, das Münchener Ifo Institut mit Warnungen an die Öffentlichkeit, und selbst der Internationale Währungsfonds warnte vor "fürchterlichen Konsequenzen für das Wachstum".

Tatsächlich scheinen historische Beispiele diese Sorge zu bestätigen. In der Krise von 1929 drehte sich eine solche Deflationsschraube in den USA. Weil die Preise für Getreide wegen der mangelnden Nachfrage nicht einmal mehr die die Aufwendungen für Saatgut und Maschinen decken konnten, stellten viele Landwirte die Produktion ein und schlossen sich dem Heer der Arbeitslosen in den Städten an. US-Historiker sprechen in diesem Zusammenhang heute noch von der Zeit des "Zorns". Von ähnlichen Tendenzen war auch Österreich in der Zwischenkriegszeit betroffen.

Lohnverzicht statt Arbeitslose

Allerdings scheinen sich Österreichs Wirtschaftsvertreter derzeit noch keine wirklichen Sorgen zu machen. Inoffiziell heißt es, es handle sich um einen Einzelfall und außerdem eine interne Entscheidung eines Unternehmens, die man aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage gut nachvollziehen könne. Und der steirische WKÖ-Präsident Peter Mühlbacher legte in einem Radio-Interview nach: "Lohnverzicht ist immer noch besser als Arbeitslosengeld." Nach solchen und ähnlichen Äußerungen steigt bei den Gewerkschaften die Sorge, dass die Republik vor einer neuen Umverteilung stehe, zulasten der Arbeitnehmer. Kommenden Mittwoch werden die Spannungen zwischen den Sozialpartnern in Wien offenbar werden. Die Gewerkschaften demonstrieren da für höhere Löhne: mit einem Zug vom Haus der Industrie bis vor das Hauptquartier der Wirtschaftskammer. Motto: "Wir verzichten nicht".

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