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TEDDY KOLLEK/ KOSMOPOLIT AUS WIEN

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Wohl der Prominenteste unter den in Österreich geborenen Juden, die in die Heimat ihrer Väter zurückkehrten, ist Teddy Kollek, der Bürgermeister von Jerusalem, der durch den israelisch-arabischen Krieg aus der Administration ins Blickfeld der Politik gerückt ist. Aus einer kleinbürgerlichen Wiener Familie stammend ist Theodor Kollek, den seine Freunde in aller Welt Teddy nennen, zum Kosmopoliten

geworden, der weit über die Grenzen Jerusalems hinaus bekannt ist. Die politische und organisatorische Begabung des jungen Kollek zeigte sich schon, als der mit 23 Jahren im Bürgerkriegsjahr 1934 nach Palästina Ausgewanderte einen Kibbuz am Tiberias-see gründete. Bald darauf warb er als Emissär in Europa und den Vereinigten Staaten Siedler für Palästina. Diese Tätigkeit brachte ihn 1940 ins Politische Departement der Jewish Agency, die bis zur Gründung des Staates Israel die Agenden einer Regierung für die jüdische Bevölkerung Palästinas ausübte. 1947 arbeitete er im Dienst der „Haganah“, der jüdischen Selbstwehrorganisation in den USA. Seine eifrige Werbe-und Sammeltätigkeit trug ihm nicht nur den Spitznamen Teddy Kollek-teur ein, sondern machte ihn auch zu einem gründlichen Kenner der amerikanischen Verhältnisse. 1951 wurde er zum Charge d'Affaires in Washington bestellt. Nach zwei Jahren diplomatischen Dienstes berief ihn Ben Gurion zurück nach Israel, wo er die Leitung des Büros des Ministerpräsidenten übernahm und damit zu einem der entscheidenden Mitarbeiter Ben Gurions wurde. Als Ben Gurion eine neue Par-

tei, die Rafi-Partei, gründete, schloß sich Kollek ebenso wie Dayan dieser Partei an. Eine der Hauptaufgaben, denen sich der weit in der Welt Herumgekommene dabei widmete, war die Förderung des israelischen Tourismus: Auf seinem „Stamm-kibbuz“ hatte er schon früh ein Konzerthaus erbauen lassen, wo er jedes Jahr musikalische Festspiele organisierte. Auf ihn geht außerdem die Errichtung des Israel-Museums zurück, das 1964 in Anwesenheit zahlreicher prominenter Künstler und Kunstexperten aus aller Welt eröffnet wurde.

Als er 1965 zum Bürgermeister von Jerusalem gewählt wurde, sagte man ihm allgemein große politische Schwierigkeiten voraus. Die Auseinandersetzung zwischen Mapai und Rafi war damals an einem Höhepunkt angelangt und Kollek konnte kaum auf die Unterstützung seiner Entwicklungsprojekte durch die Regierung Eshkol rechnen. Die zahlreichen, meist armen Neueinwanderer stellten für die Stadt jedoch eine schwere finanzielle Belastung dar, die ohne Staatshilfe nicht bewältigt werden konnte. Kollek bewies seine Erfindungsgabe und sein politisches Geschick, als er im

Gemeinderat zwischen der gegnerischen Mapai-Fraktion und den Orthodoxen, in deren Augen er als „Freidenker“ gilt, lavierte, ohne seine Entwicklungspläne für Jerusalem aufzugeben. Dabei kam ihm zustatten, daß seine Generation, die Generation der Fünfzig jährigen, zwar vielfach mit dem europäischen Sozialismus verbunden, aber im Gegensatz zur älteren Generation weniger ideologisch als pragmatisch orientiert ist.

Erfindungsgabe, taktisches Geschick und diplomatische Elastizität braucht der Bürgermeister von Jerusalem auch heute, wo die wiedervereinigte Stadt einen der Hauptstreitpunkte zwischen

Israelis und Arabern bildet. Im Ringen um das künftige Statut der Stadt vertraut Koüek auf das gemeinsame Interesse aller Religionen an Jerusalem, das er auch bei der Hissung der israelischen Fahne auf dem Gebäude der Stadtverwaltung in der Altstadt betonte: „Kriege werden nicht von Städten ausgetragen, aber auf keinen Fall von einer Stadt wie Jerusalem, von der immer der Ruf nach Frieden und Verständigung an alle Völker und Glaubensgemeinschaften ausgegangen ist.“

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