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Es sind 35 Schrauben, 16 Holzplatten, fünf Holzgriffe und der passende Schraubenzieher für jede Größe. Wenn Sie alles in Ihrem Karton gefunden haben, dann können Sie gleich mit dem Aufbau beginnen. 1. Sortieren der vorhandenen Teile, 2. Gehen Sie über zu Bild A3. Dort sehen Sie bla, bla, bla ..."

Sie sitzen vor einem "Berg" Regal. Trotz intensivster Bemühungen und strikter Befolgung der Anweisungen ähnelt "Nikk", ihr Bücherregal, auch nach Stunden harter Arbeit in keinerweise der Abbildung im Katalog. Die Holzplatten klemmen, Schrauben sitzen schief, und die Energie ihrer Akkubohrmaschine geht langsam dem Ende zu. Es ist eben noch kein Meister vom Himmel gefallen.

Doch für schweißtreibende Nachmittage wie den eben illustrierten bedarf es seit Beginn dieses Jahres nicht mehr der Hilfe von "Meisters Hand". Das Zusammenbauen von Möbelbausätzen ist nämlich eines jener rund 20 genehmigten Teilgewerbe, für deren Ausübung gelernte Handwerker keinen Meisterbrief besitzen müssen. Im Prinzip müßte also schnell Unterstützung gefunden sein, gebe es da nicht eine Tücke: Am 12. Juni 1997 wurde die Gewerberechtsnovelle, und damit auch die Teilgewerbeordnung, vom Nationalrat beschlossen. Bis zum Ende des Jahres einigten sich dann auch Wirtschafts- und Sozialminister darüber, welche Teilgewerbe zugelassen werden und unter vereinfachten Voraussetzungen selbständig werden. Vom Änderungsschneider bis zum Wäschebügler und vom Fahrradmecheniker bis zum Friedhofsgärtner. Statistiken aus dem ersten Quartal dieses Jahres bringen jedoch vorerst keine zufriedenstellenden Ergebnisse. Vier Handwerker sind es erst, die dem Ruf der Gewerbenovelle gefolgt sind.

Die Palette an Teilgewerben (siehe Kasten) ist nicht so umfangreich wie ursprünglich geplant. Büroreinigung oder die Vermittlung von Reisen im Inland kamen beispielsweise nicht zum Zug. Trotzdem erwartete man in Politik und Wirtschaft zumindest eine merkbare Gründungswelle.

Fehlgeschlagen.

Silvia Egidy von der Bundeswirtschaftskammer ist Referentin der Sektion Handwerk und Gewerbe. Sie kann sich die Gründe für das mäßige Interesse schon vorstellen: "Es war bereits vorher möglich, daß Betroffenen eine Nachsicht bei der Gewerbeausübung gewährt wurde." Wer also keinen Meisterbrief besaß und an Selbständigkeit interessiert war, konnte schon vor der Gewerbenovelle um eine Ausnahmeregelung ansuchen. Zur Schaffung der Teilgewerbeordnung sei es nur gekommen, um diese Möglichkeit der Selbständigkeit zu vereinfachen und die Gründung von Kleinunternehmen zu bewerben, meint Egidy.

Fehlendes Wissen Sie sieht in der neuen Regelung aber auch Mängel: "Um einen Gewerbeschein für eines der Teilgewerbe zu erhalten ist keinerlei kaufmännische Ausbildung notwendig." Grundlagen in Vertrags- und Steuerrecht sowie in Fragen des Konsumentenschutzes würden nämlich nicht zu den Voraussetzungen zählen, so die Referentin der Bundeswirtschaftskammer. Und das, wo doch aktuelle Konkursstatistiken eindeutig aufzeigen, daß gerade fehlendes Wissen in diesen Bereichen oft zum bitteren Ende führt.

Um das zu vermeiden wird die Anzahl der Beschäftigten in Unternehmen des Teilgewerbes gesetzlich eher gering - nämlich bei fünf Personen - gehalten. "Die Kosten eines Steuerberaters bei fünf Mitarbeitern sind eben noch leichter zu bezahlen, und der Betrieb ist einfacher zu überblicken", begründet Egidy die Sachlage. Damit widerlegt sie auch die oft vorgebrachte Kritik, daß mit der Begrenzung auf maximal fünf Beschäftigte die Schaffung neuer Arbeitsplätze eingeschränkt würde.

Wer jedoch meint, auch ohne Meisterbrief genug vom fachlichen und unternehmerischen Know-how zu besitzen, dem stehen die Türen zu rund 20 Teilgewerben offen. Mit der Bestätigung über eine erfolgreich absolvierte Lehrabschlußprüfung oder eine andere Ausbildung in Verbindung mit einschlägiger Praxis wandert er zur Gewerbebehörde des jeweiligen Betriebsstandortes. Außerdem sind für die Anmeldung eines Einzelunternehmens - jene Form, die dafür am häufigsten gewählt wird - auch Geburtsurkunde, Staatsbürgerschaftsnachweis, Meldezettel sowie eine Bescheinigung aus dem Strafregister, daß keine Vorstrafen vorliegen, mitzubringen. Wenn der Bewerber dann auch noch bestätigen kann, daß er noch nie in Konkurs gegangen ist und die 2.200 Schilling Anmeldegebühr bezahlt, steht der Erledigung zahlreicher Aufträge nichts mehr im Wege.

Und die gibt es nach den Anlaufschwierigkeiten des Teilgewerbes sicher häufiger, sowie Betriebe, die sie erledigen. Man denke doch nur an die zahlreichen frustrierten "Hobby-Regalbauer".

20 Teilgewerbe * Änderungsschneiderei * Anfertigung von Schlüsseln mittels Kopierfräsmaschinen * Autoverglasung * Betonbohren und -schneiden * Einbau von Radios, Telefonen und Alarmanlagen in Kraftfahr zeugen * Entkalken von Heißwasserberetern * Erdbau * Erzeugung von Lebzelten und kandierten und getunkten Früchten * Erzeugung von Speiseeis * Fahrradmechanik * Friedhofsgärtnerei * Gürtelerzeugung * Huf- und Klauenbeschlag * Modellieren von Fingernägeln * Schienentechnik * Reinigung von Polstermöbeln * Schleifen von Schneidewaren * Wartung und Überprüfung von Handfeuerlöschern * Wäschebügeln * Zusammenbau von Möbelbausätzen

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