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Wotruba in Dortmund

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Vierzig Figuren von Fritz Wotruba, von dem frühen „Torso“ (Marmor, 1930) bis zur „Stehenden Figur mit erhobenen Armen" (Bronze, 1961) sind derzeit im Museum am Ostwall in Dortmund ausgestellt und geben einen machtvollen Eindruck vom Gesamtwerk dieses Mannes. Nach Dortmund werden sie in Karlsruhe, Paris, Amsterdam, Wuppertal gezeigt werden und schließlich nach New York weiterwandern. Wenn nicht alles täuscht, so wird diese große Kollektivausstellung endgültig den Rang Wotrubas als einen der bedeutendsten europäischen Bildhauer des 20. Jahrhunderts festigen.

Wotruba hat es sich nicht leicht gemacht, er hat es sich vielleicht schwerer gemacht als alle anderen Bildhauer unserer Zeit, Bancusi nicht ausgenommen. Sein Werk liegt nicht in der Entwicklungslinie der modernen Kunst, es liegt quer dazu wie ein ungeheurer Steinquader aus der Vorzeit, und nur. die Mächtigkeit und nicht die Richtung dieses Quaders ist es, die ihn jetzt in das Blickfeld aller an der Kunst Interessierter gerückt hat.

Die Skulptur unseres Jahrhunderts hat sich in der Richtung entwickelt, wie sie das Werk Henry'Moores mit seinen gleichsam wind- und wassergeschliffenen Hohlformen umschrieben hat, dieses Werk, das eine einzige Durchdringung des Raumes und'—.dutch; die ständig .Wechselnden Ansichten,; dtrrdt'j'die. .Aflwrphitäti“ die Zeit als vierte Dimension mit einbezieht. Nichts davon bei Wotruba! Nie ist er abstrakt geworden, in allen seinen Torsi ist unübersehbar der Mensch als das Maß aller Dinge anwesend, und nicht umsonst nennt er viele seiner Steine ..menschliche Kathedrale“. „Den Stein mit Hilfe von Durchlöcherung und Zwischenräumen aufzubrechen, kommt mir w'e ein Zeichen von Schwäche und Vergeblichkeit vor“, sagt er selbst.

Wotruba ist kein moderner, er ist ein vorklassischer, archaischer Bildhauer. Seine Steine sind zu hart, zu sehr Stein in ihrer Verherrlichung des Materials, zu sehr Steine des Anstoßes für den Augenschmaus suchenden Blick, als daß wir den Übergang von der Archaik zur Klassik, der sich in diesem Werk beispielhaft vollzieht, sofort einsehen können. Es fehlt ihm das Mediterran-Verbindliche eines Marino Marini, als daß wir ihn ohne weiteres in die große Tradition abendländischer Plastik einordnen könnten, in der Wotruba steht.

Die Ausstellung in Dortmund macht Wotrubas „rückhaltlose Verehrung für den

Stein“ in jeder seiner Arbeiten deutlich — vor allem in den Bronzeabgüssen nach Kalk- und Konglomeratsteinen, die das ursprüngliche Material zugleich spürbar machen und schmerzlich vermissen lassen. Die Aufstellung ist vorzüglich und wird von vielen Aquarellen und Zeichnungen begleitet. Ein Teil der Figuren, so der „Schreitende“ und ein „Gehender Mann“ wurden im Freien aufgestellt, auf einer Rasenfläche vor dem Museum. Durch die großen Fenster der hinteren Halle scheint es, als ob diese monumentalen Figuren das Haus umzingelt hätten und mit großen, ausgreifenden Schritten auf den Beschauer zumarschierten.

In diesem Augenblick wird man es gewahr: Wotrubas Stunde ist gekommen. Lange genug hat dieser Mann im Schatten sich rasch überlebender Kunsttendenzen gestanden und gewartet. Jetzt tritt er hervor und ist da.

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