Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Kunst ist „klare Stellungnahme”
Festlichkeiten um Fritz Wotruba, der heuer seinen Siebziger gefeiert hätte (er starb 1975), und zum „Hunderter” des prunkvollen Theophil-von-Hansen-Gebäudes der Akademie der bildenden Künste am Schillerplatz. Bis 23. Dezember zeigen Akademie und Secession Hauptwerke des bedeutendsten österreichischen Bildhauers des 20. Jahrhunderts. Zwei prächtige Ausstellungen: Zeichnungen, Entwürfe, Druckgraphik, kleine und große Skulpturen, aber auch Wotrubas künstlerisches Denken und sein Wirken als Pädagoge wird dokumentiert.
Festlichkeiten um Fritz Wotruba, der heuer seinen Siebziger gefeiert hätte (er starb 1975), und zum „Hunderter” des prunkvollen Theophil-von-Hansen-Gebäudes der Akademie der bildenden Künste am Schillerplatz. Bis 23. Dezember zeigen Akademie und Secession Hauptwerke des bedeutendsten österreichischen Bildhauers des 20. Jahrhunderts. Zwei prächtige Ausstellungen: Zeichnungen, Entwürfe, Druckgraphik, kleine und große Skulpturen, aber auch Wotrubas künstlerisches Denken und sein Wirken als Pädagoge wird dokumentiert.
Als der Wiener Fritz Wotruba 1945 aus der Schweizer Emigration in seine Heimatstadt zurückkehrte, an der Akademie der bildenden Künste eine Professur annahm, stand er an der großen Wende. Der Stau künstlerischer Eindrücke, Ergebnis seiner Freundschaften mit Robert Musil, Hermann Broch, Alban Berg, Elias Canetti, Herbert Boeckl, Marino Marini und vielen anderen bedeutenden Künstlern seiner Zeit, kam zur Entladung. Programmatisch wirkte seine Schrift „Überlegungen” (1945). Er fordert da Eindeutigkeit und Kompro- mißlosigkeit., „Das Merkmal dieser Zeit ist Unsicherheit, und darum verlangt man in dieser Welt ständig wechselnder Erscheinungen gerade von der Kunst bestimmtesten Umriß und klare Stellungnahme.”
Klare Stellungnahme hat Wotrubas Schaffen immer ausgezeichnet. Ob es ihm um die Bewältigung seiner Stehenden, Schreitenden oder Kauernden ging, um seine gewaltigen Bühnenmodelle für das Burgtheater (Antikenzyklus), für die Salzburger Festspiele oder für die Berliner Oper (Wagners „Ring”), um graphische Blätter oder einfach um eine Schule des Sehens, durch die er seine Studenten zu klar und kritisch denkenden Künstlern erziehen wollte.
Jedes Werk war in sich ein Protest gegen Flüchtigkeit. Eine Zusammenfassung seiner Energie. Wotruba hat stets lauf gefällige Schönheit verzichtet - und auf das Pathos. Die Entwicklung von der realistischen Figur zum klaren Block, von da zur Aufspaltung und Verschränkung der Elemente, folgte konsequent Ausweitung zur Architektur war schließlich der entscheidende Schritt, der bei Wotrubas von Anfang an vorgegebenem Denken in Raumzusammenhängen erfolgen mußte, denn die Beziehung der Figur zum Umraum war eigentlich von Anfang an, zumindest verkappt, das exemplarische Problem seiner Skulptur. „Das Problem der lückenlosen funktionalen Ordnung ist ein Grenzproblem”, schrieb einmal Werner Hofmann über Wotrubas Werk, „wo er restlos verwirklicht wird, deuten sich folgerichtig Grenzmöglichkeiten des Ausdrucks an. So ist Wotruba mit seinen letzten Werken das gelungen, was man als Materialverwirklichung bezeichnen könnte. Der Stein scheint unter seiner Hand zum Bewußtsein der eigenen Existenz zu gelangen.”
Dennoch hat Wotruba aber nie das Sperrige, Rohe seines Skulpturengefüges aufgegeben. Mystifizieren wollte er nie und nichts. Rätselhaften Zügen in der Kunst wich er stets aus. Zustandsformen des Menschen, „klare Stellungnahmen”, waren ihm wichtiger. Der Zustand des Soseins, losgelöst von Vermutungen, Spekulationen, Reflexionen. Der Zustand des Schweigens, der Einsamkeit. Gerade diese Einsamkeit hat seine Plastiken stets ausgezeichnet. Aber nicht als Vereinsamung, sondern gleichsam als Grundzustand. Oder, wie er es selbst formulierte: „Die Kunst kann nur ein Ziel kennen: Dieser unentschlossenen Vielfalt ein’Reich des Gleichgewichts der in sich geschlossenen Masse und der echten Gefühle gegenüberzustellen.”
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!