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Der Wurm in der Inszenierung

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Genie und Wahnsinn liegen bekanntlich nahe beisammen. Darf man daher Georges Fey-deau (1862 bis 1921), der im Wahnsinn endete, das Genie nicht absprechen? Unterschätzt man diesen Franzosen, wenn man nur die Architektur und den zeitlosen Unterhaltungswert seiner Komödien bewundert? Besteht womöglich die Gefahr, seine Stücke erst recht als simple Lachschlager zu inszenieren, wenn man ihn zu ernst nimmt und mit zu großen Gebärden (und Grimassen) spielen läßt? Ist da nicht der Schritt vom Erhabenen (Existentiellen) zum Lächerlichen (Überzeichneten), vom Menschlichen zur Karikatur, zu klein?

Die jüngste Premiere am Wiener Akademietheater wirft solche Fragen auf. „Der Floh im Ohr", Feydeaus Meisterstück, lebt von uralten Elementen der Komödie: mißtrauische Ehefrau, Eifersucht, anonymer Brief, Doppelgänger, Sprachfehler, Prügel, Todesangst, Happy-End. Im zweifelhaften Etablissement „Miau-Miau" mit seinem drehbaren Lotterbett kulminieren Verwechslungsspiel und Verfolgungsjagd. Die Hauptakteure, ob sie nun Seitensprünge begehen, verhindern oder aufdecken wollten, verlassen schließlich, buchstäblich blutig geschlagen oder nur an Kleidern und Seele geritzt, mehr oder minder fluchtartig die Stätte des La sters, ehe der dritte Akt nach weiteren Wirren einige Klärung bringt.

Regisseur Karlheinz Hackl unterlag im trefflich gelungenen Bühnenbild von Ulf Stengl der Versuchung, dem ohnedies turbulenten Geschehen einige Gags zu viel hinzuzufügen, vor allem beim allzu turbulenten Aktschluß vor der Pause. Indem er manches zu theatralisch darstellen läßt, gehen an einem keineswegs langweiligen und durchaus vergnüglichen Theaterabend die existentiellen Nöte der Personen, die Hackl eigentlich hatte zeigen wollen (FtJRCHE-Inter-view, 17/1997), meist unter.

Am ehesten vermag Bobert Meyer - in der dankbaren Doppelrolle als treu-biederer, um seine Potenz besorgter Versicherungsdirektor Chan-debise und als naiv-versoffener Hausknecht Poche - menschlich zu berühren, nahezu ebensogut schaffen das auch der um Konsonanten ringende und verzweifelt, seinen künstlichen Gaumen suchende Nicholas Ofczarek (Camille Chandebise) und die ihren eifersüchtigen Ehemann fürchtende Ursula Höpfner (Lucienne Homeni-des de Histangua).

Das übrige Ensemble führt dem Publikum Georges Feydeau als guten Komödienautor, aber nicht unbedingt als genialen Enthüller menschlicher Schwächen vor Augen.

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