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Staatsräson, Parteienkrieg

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Nicht allein als Drama der unterschwellig gärenden Auseinandersetzungen zwischen Adel und Volkspartei, zwischen Patriziern und Plebejern, als Kampf um Macht für die Freiheit des Volkes zwischen Unterdrückern und Unterdrückten, sondern als menschliches Drama der Leidenschaften und ungezügelten Emotionen, in dem die Spannung der actio aus Eifersucht und Haß, aus Sehnsüchten und Hoffnungen erwächst, hat Gustav Rudolf S e 11 n e r, der Hausherr der Deutschen Oper Berlin, Giuseppe Verdis „Simone Boccanegra“ als Neueinstudierung inszeniert: Eine Oper, die erste Sänger und Darsteller erfordert. Die kontinuierliche Aufbauarbeit an einem Ensemble von Spitzenkräften ließ diese Neuinszenierung zu einem Fest der Stimmen, des Musikalischen überhaupt werden.

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Nicht allein als Drama der unterschwellig gärenden Auseinandersetzungen zwischen Adel und Volkspartei, zwischen Patriziern und Plebejern, als Kampf um Macht für die Freiheit des Volkes zwischen Unterdrückern und Unterdrückten, sondern als menschliches Drama der Leidenschaften und ungezügelten Emotionen, in dem die Spannung der actio aus Eifersucht und Haß, aus Sehnsüchten und Hoffnungen erwächst, hat Gustav Rudolf S e 11 n e r, der Hausherr der Deutschen Oper Berlin, Giuseppe Verdis „Simone Boccanegra“ als Neueinstudierung inszeniert: Eine Oper, die erste Sänger und Darsteller erfordert. Die kontinuierliche Aufbauarbeit an einem Ensemble von Spitzenkräften ließ diese Neuinszenierung zu einem Fest der Stimmen, des Musikalischen überhaupt werden.

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Es war ein großer Abend für das Haus. Eine Leistung, ein solches hauseigenes Spitzenensemtole einsetzen zu können, wie es zur Zelt wohl nur wenigen anderen Bühnen in Europa zur Verfügung steht, läßt die Deutsche Oper Berlin als gleichwertiges Haus neben den Opernbühnen von internationaler Geltung antreten.

Die Titelrolle: Ingvar Wixell, dessen voll und edel zugleich strömender sonorer Bariton dem Korsaren wie dem späteren Dogen stimmlich das Profil eines noblen Charakters verleiht. Seinen Gegenspieler Fiesco stattete Martti Talvela mit seinem profunden Baß, einer „Stimme aus Stahl“ aus. Den jugendlich eifernden Gabriele Adorno sang und spielte mit brillanter Verve Carlo Cossutta, dessen strahlender Tenor mit müheloser Höhe auch den massivsten intriganten Ehrgeiz in Jago-Nähe gerückte Charakterstudie als Paolo bot Jose van Dam mit seinem gut geführten, helltimbrierten Bariton. Diesen Protagonisten fügten sich Ivan Sardi als Pietro, Cornelis van Dijk als Hauptmann und Maria Brill als Zofe Amelias verläßlich ein. Der Phalanx erlesener Männerstimmen stand als einzige Solistin Gundula Janowitz gegenüber. Das neue Mitglied des Hauses erfüllte in der Partie der Amelia nicht nur restlos alle Wünsche durch die makellose Führung ihres in allen Registern ausgeglichenen leuchtenden Soprans, ihr warmes Timbre, ihre immer wieder bezaubernden Kopftöne, der sieghaft anwachsende Strahl ihres leuchtenden Organs, der sich mühelos über den Vollklang des Ensembles, des Chores und des Orchesters durchsetzt, riß das Publikum immer wieder zu begeistertem Beifall hin. Daß von solchen Sängern zum Wettstreit herausgefordert der Chor, von Walter Hagen-Groll in differenzierten Schattierungen bestens vorstudiert, sich durch Klangvolumen und Präzision besonders auszeichnete, rundete die stimmliche Präsenz zum optimalen Effekt.

Das Auge hatte Freude an den gedämpften Komplementärfarben der zeitechten Kostüme, die mit den Tönungen des variiert aufgegliederten romanischen Säulenbaues, der zu den verschiedenen Räumlichkeiten manipuliert wurde, synoptisch harmonierten. Wilhelm Reinking hat die Erfahrung des wirkungssicher gestaltenden Bühnenausstatters. Lorin Maazel als musikalischer Leiter erfaßte die rhythmischen und manchmal leider in der Dynamik des Blechsatzes übersteigerten dramatischen Stellen der Partitur mit der an ihm gewohnten Nervigkeit und Engagiertheit bei diesmal geschmeidigerer Anpassung an die Solisten als sonst und manchen gelungenen lyrisch ausmusizierten Kantilenen. Das Publikum, dem endlich geboten wurde, was es gemeinhin von einer Operndarbietung zu erwarten wünscht, spendete dankbar und mit enthusiastischen Bravi an alle Mitwirkenden und Ausführenden brausenden Beifall.

Ein echter Opernabend großen Stils, der ein selten zu hörendes großes dramatisches Meisterwerk Verdis neben die bewährten Erfolgsopern würdig placiert hat.

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