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Vor nicht allzulanger Zeit bin ich eingetreten in den "VWDS", den "Verein zur Wahrung der deutschen Sprache e. V."; das ehrt mich, wie ich finde, beschert mir aber auch manche Unbill. Zum Beispiel diese: Im Freundeskreis ist die Rede von den Verabredungsgewohnheiten der heutigen Jugend. Kurt meint: "Meine Tochter Helga, Ihr werdet es nicht glauben, bringt es auf durchschnittlich 4 bis 5 ,dates' pro Wochenende! Das muß sie von ihrer Mutter haben; also ich zu meiner Zeit ..."

Ich fühle mich kraft meiner Funktion als Mitglied im "VWDS e. V." verpflichtet, sprachpflegend einzugreifen: "Sag mal, Kurt, wäre es dir vielleicht möglich, unnötige Fremdwörter zu vermeiden und dich in unserem Kreis - wir sind ja alle deutsch und Österreicher - deiner ... nein: unserer Muttersprache zu bedienen? ... Das häßliche Fremdwort ,date' ist nicht nur fremd und häßlich, es ist auch sowas von unromantisch, daß es schlimmer nicht mehr geht! ... ,Date' würde ich allenfalls, wenn auch widerstrebend, für eine geschäftliche Verabredung gelten lassen, an der Amerikaner und Japaner teilnehmen, aber doch nicht für ein Treffen junger Liebender jedweden Geschlechtes! ..."

Jetzt ist es an Kurt, mich zu unterbrechen: "Mag ja sein, daß ,date' ein Fremdwort für dich ist, aber unromantisch? ... Ich kann mir kein besseres Wort vorstellen, um eine Zusammenkunft junger Menschen - als Konzession an deine Sprachsensibilität sage ich bewußt nicht ,Kids'! - zu charakterisieren! Wie, wenn du dieses Fremdwort vermeiden möchtest, wie würdest du denn zu so einem Teenager-meeting ... äh, pardon ... wie würdest du so eine ,Zusammenkunft jugendlicher Mitbürger' denn nennen?" Ironie trieft traufend in dicken Tropfen. Ich reagiere darauf spontan und - wie sich zeigen sollte - unüberlegt: "Viel romantischer als dieses an Zeitangabe und Datenabgleich erinnernde ,date' ist zum guten Beispiel ,Rendezvous'! ... Da hört man das zärtliche ,tete-a-tete' mitschwingen, sieht förmlich Romeo flugsen Schrittes zu Ju ..." Das jäh aufbrandende brüllende Gelächter der Freundesschar läßt meine linguistischen Ausführungen im Nichts verpuffen. "Freund" Peter übernimmt die Hinrichtung, ätzt mich an: "Du bist mir ja ein schöner Bewahrer deutscher Sprachkultur! ... Tauschst ein Fremdwort gegen ein anderes! ... Machst du es dir als selbsternannter Ortsgruppensprachwart nicht ein bißchen leicht? ..." Schlagworte wie "frankophil" und "anglophob"und natürlich auch das unvermeidliche "multikulturell" schwirren durchs Gebälk. Ich sammle mich, mache einen neuen, vermeintlich wohlbedachten Vorstoß: "Okay, okay ... äh ... ich meine: in Ordnung, in Ordnung; ... ich hab schon verstanden! ... Ich ziehe das ,Rendezvous' zurück und schlage statt dessen ,Stelldichein' vor! ..."

Erneut tobendes Gelächter der vormaligen Freunde. Bernhard erläutert: "Na, hör mal! Wenn ich meiner Tochter sage, sie möge sich beeilen, um pünktlich zum vereinbarten Stelldichein mit ihrem neuen Macker zu kommen, ich wette, die kriegt'n Lachkrampf! ... Ich hör sie förmlich: "Ey, keep cool, Daddy! ... Zu 'nem meeting mit meinem boyfriend Stelldichein zu sagen, also ehrlich, das ist echt uncool und völlig out of date! ... Bei 'nem Stelldichein, da seh ich'n alten Knacker so um die 25 ... der latscht an mit'm Busch Nelken unterm Arm ... stellt sich dämlich grinsend ins shopping-center vor McRONALDs und guckt wartend Löcher in die Luft! ... Ist ja echt untergeil und voll uneasy! ..."

Und Peter meint noch einen draufsetzen zu müssen: ",Stelldichein' ... also das klingt irgendwie nach ,Rumpelstilzchen' oder wie ,Filzpantoffel' und erinnert ans Biedermeier! ... So redet heute doch echt kein Mensch mehr! ..." Alles lacht, jeder will jeden übertrumpfen mit Beispielen meiner Sprachverschnarchtheit. Das Banausentum feiert Triumphe.

Ich ziehe für diesen Abend aus dem Verhalten dieser ungehobelten Horde die Konsequenzen und suche meinen Hut. Abschiednehmend wende ich mich an Peter, den Oberätzer: "Ich will nicht so uncool sein und dir in klassischem Goethe-Deutsch ein echt geiles Zitat rüberbringen; laß mich statt dessen die message gerafft und trendy ausdrücken: You can me ...!"

Was Peter nicht weiß: ich habe noch'n date mit seiner Frau ... und ich denke, es wird wieder'n echt cooler Abend! ...

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