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Schiffbruch ahoi!

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Ateliertheater: Es gibt Stücke, die man ach einiger Zeit -als „historisch“ empfindet und die sich doch in jeder Zeit bewähren, aktuell bleiben. Ferdinand Bruckners „Krankheit der Jugend“ ist ein solches. Es war einmal die erschütternde Diagnose einer Generation, die gegen ihr anrüchig gewordenes Erbe eines Weltkrieges und einer verlorenen, verlogenen Tradition rebellierte. Die Mittel waren Haß, Gleichgültigkeit, Perversität, Zynismus ... eine kranke Jugend. Und wieder wurde ein Erbe suspekt, ein Weltkrieg verloren (oder gewonnen, was spielte das noch für eine Rolle?), und die Jugend kam aus der Krankheit nicht heraus. Und heute? Wo wir in dieser Richtung gelandet sind, kann man daran ermessen, daß wir dieses Stück schon als vergleichsweise harmlos registrieren. Aber gerade das beweist seine Aktualität. — Die Aufführung unter dem polnischen Regisseur Jan Byczycki ist sehenswert, ebenso das Bühnenbild von Jean Veenenbos und die Kostüme von Renate Rischka. In der Besetzung gab es (natürlich) Schwierigkeiten; sie war zum Teil farblos (Erich Mülbüsch, Hertha Block) oder gar peinlich (Ursula Corbelli). Aber auch hier gab es eine große Überraschung: Estella Schmid, die sonst immer nur in kleinen Rollen zum unscheinbaren Zug kam, entpuppte sich in der Hauptrolle als ernst zu nehmende, registerreiche Schauspielerin.

Theater im Palais Erzherzog Karl: Ebenfalls mit einer Zeitkrankheit befaßt sich das Stück des 1961 wahrscheinlich durch Selbstmord ums Leben gekommenen Ungarn Imre Sarkadi: „Simeon auf der Säule, oder Herrgott, sehen wir zu, wie wir beide weiterkommen.“ TSs ist die Geschichte eines erfolglosen Malers, der plötzlich in der „Askese“ das Heil sieht und dem Säulenhedligen Simeon nacheifert. Selbstverständlich auf eine dem 20. Jahrhundert angemessenen Art. Er säuft, bricht jede menschliche Beziehung ab, sowohl die der Liebe als auch die der gesellschaftlichen Konvention, wird asozial und besteigt schließlich die aus Lethargie errichtete Säule des Bösen. Seine provozierte Ermordung läßt er als „Erlösung“ gelten... Ein vor Negationen berstendes,nihilistisches Gegenstück zur Dramatik der „lost generation“ und der englischen proletarischen Welle, mit einem zaghaften Hoffnungsschimmer am Schluß. — Günther G. Bauer brachte eine in ihren Grenzen passable Aufführung zustande, die aber die Schwächen des Stückes (besonders im 2. Teil) nicht überspielen konnte. Im gekonnt verlotterten Bühnenbild von Birgit Hutter setzten sich Herwig Seeböck und Auguste Welten entsprechend in Szene. Vom übrigen Ensemble ragte nur noch Kitty Buchhammer auffallend hervor.

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