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Der knetbare Mensch

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Vance Packard ist einer der scharfsten Beobachter der politischen Szene unserer Zeit und ein viel beachteter Kritiker des hemmungslosen Fortschritts auf dem Gebiet der Genetik, der Psycho-Chirurgie und aller anderen Entwicklungen, die zur „Knetbarkeit des Menschen“ fiihren konnten. Ver-gangene Woche war er anldfilich eines Managementseminars des Hernstein-Institutes in Wien und sprach im VP-Club „Pro-Wien“ iiber das Thema „Von den geheimen Verfuhrem zu den Menschenformern - Leben im Jahr 2001“. Das FURCHE-Gesprach mit dem amerikanischen Sozialforscher Vance Packard fiihrte Elisabeth Horvath.

FURCHE: Sie haben in Ihrem neuen Buch „Die grofie Versuchung -Der Eingriff in Leib und Seele“ die Werbung als Hauptinstrument geselU schaftspolitischer Manipulation be-zeichnet. Warum?

PACKARD: Amerika ist der Werbung in viel starkerem MaBe ausge-setzt als jedes andere Land. Werbung hat verschiedene Auswirkungen auf den Menschen. Ich nenne nur einige: Leben fur den Augenblick; das Ver-langen, sich schrankenlos auszule-ben; ein Lebensstil der Vergeudung, des Uberflusses, des grenzenlosen Konsums. Werbung ubt eine extrem zerstorerische Wirkung auf Kinder aus und fuhrt sie zu Passivitat in alien Lebensbereichen. Und Kinder sind der Werbung ganz besonders ausge-liefert, denken Sie nur an das ameri-kanische Fernsehen.

Auch die Ausbeutung unserer Res-sourcen ist letzten Endes auf die Werbung zuriickzufuhren. Der Drang nach immer rasanter steigenden Verkaufszahlen wird den wachsen-den Energiemangel und die Knapp-heit unersetzlicher Mineralstoffe nur noch verscharfen.

FURCHE: Sind dies also psycholo-gische Auswirkungen der Werbung -schrankenlose Werbung mit dem Ziel eines schrankenlosen Konsums?

PACKARD: Dieser psychologi-sche Faktor hat sehr reale Konse-quenzen. Es ist die Tragodie der Re-klame, daB sie immer neue Bediirf-nisse im Menschen weckt. Die Wirkung der Werbung besteht vor allem darin, Annehmlichkeiten in Bediirf-nisse zu verwandeln. Der Erfolg geht so weit, daB das Fernsehgerat als menschliches Urbedurfnis empfun-den wird.

FURCHE: Welche politischen Ver-haltensweisen konnen der drohenden Gefahr der totalen Manipulation des Menschen am besten begegnen? Ist es politische Bildung, ist es ein Mehr an wissenschaftlicher Information, sind es Instrumente der direkten Demo-kratie, Modelle der Subsidiaritdt?

PACKARD: Ich glaube, wir brauchen vor allem mehr Offentlichkeit im Bereich der Forschung. Die sozialen Konsequenzen fur die Zukunft diirfen nicht verschwiegen werden. Etwas ist falsch an unserer Gesell-schaft, wenn sie eine neue Art von Menschen produziert, „kunstliche“

Menschen. Jede Regierung sollte eine staatliche Kommission zur Uberwachung derartiger Forschung installieren.

FURgHE: Welches politische System - die westliche freie Demokratie oder das ostliche sozialistische System - kann diese Selbstkontrolle eher ga-rantieren?

PACKARD: Ich habe das Gefuhl, daB in Osterreich diese Kontrolle recht gut funktioniert. Die verant-wortlichen Krafte reagieren viel sen-sibler als in Amerika. Zweifellos gar-antiert das demokratische Modell weit eher wirksame Kontrolle; dem sozialistischen System fehlt die Mog-lichkeit der Kritik durch die Offentlichkeit. Die Wissenschaft kann in einem solchen System viel leichter so-ziale Ziele vortauschen als in der freien westlichen Hemisphare.

FURCHE: Kdnnte aber nicht gerade der Fortschritt, das ungeheure Wissen unserer Zeit dazu fiihren, dafi sich die Menschheit wieder ihrer eigentlichen Natur bewufit wird, ihrer inneren Werte; konnte sich nicht eine erhohte Fdhigkeit von Kooperation und Selbstbegrenzung entwickeln?

PACKARD: Ja, selbstverstandlich. Naturlich gibt es die positive Seite. Wir lernen mehr iiber uns selbst. Wir lernen auch, uns unter Kontrolle zu halten. Auf medizinischem Gebiet werden Innovationen bereits hinter-fragt; wir wissen, daB Verbesserun-gen sich oftmals ins Gegenteil ver-kehren, daB langfristig schadliche Nebeneffekte ausgelost werden.

FURCHE: Noch einmal zuriick zur Wirtschaft: Sehen Sie einen Weg, trotz der technologischen Revolution langfristig die Vollbeschdftigung zu si-chern?

PACKARD: Vor einigen Jahren war dies in Amerika ein groBes Problem. In der Zwischenzeit hat man Losungen gefunden. Da der Produk-tionsbereich infolge des technischen Fortschritts Arbeitsplatze wegratio-nalisiert, verlagert sich der Bedarf an Arbeitskraften mehr auf den Dienst-leistungssektor. Die amerikanische Bevolkerung ist gegenwartig auBer-ordentlich am Gesundheits- und Bil-dungswesen interessiert. Hier wird viel getan und dies schafft neue Arbeitsplatze.

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