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Geräumiger Zorn

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Janko Messners „Kärntner Heimatbuch" ist ein Buch über eine „Unhei-mat", wie Franz Innerhofer das nennt. Es ist also sicher kein versöhnliches Buch, wie sich ja jemand, der hierzulande kalmierend der Versöhnung und dem Ausgleich das Wort redet, fragen lassen muß, wie er sich diese Ruhe vorstellt. Frieden gibt es nicht ohne Gerechtigkeit und Gerechtigkeit wahrscheinlich nicht nur durch gutes Zureden und Appelle. Uber den Frieden schreibt Messner im letzten seiner 25 „Streiflichter": „ ... Frieden eines riesigen Friedhofs, auf den man Tag für Tag das rechtlose slowenische Wort aus Kärntens Öffentlichkeit zur letzten Ruhe bettet."

Messner berichtet von Erlebtem und Erlittenem, es handelt sich immer um „Kärnten, gesehen durch ein starkes Temperament". Daß der Autor sensibilisiert ist (was zur Berufsqualifikation des Schriftstellers gehört) und auch sensibel reagiert, liegt an der Situation des Autors, um die ich ihn nicht beneide - Schriftsteller und Intellektueller einer Minderheit zu sein bedeutet potenzierte Einsamkeit -, und an den Verhältnissen, die ich mir auch freundlicher und menschlicher vorstellen könnte. Ein Buch wie dieses verbietet dem Rezensenten, ihm bloß akademisch und inhaltlich distanziert zu kommen. Es fordert vielmehr zur Stellungnahme heraus. Als Oberösterreicher würde man freilich gerne sagen, das sollen sich die Kärntner unter sich ausmachen. Sie müssen ja das Geschehene verantworten, so wie Messner sein Buch verantworten muß.

Außer Streit steht für mich an diesem sicher umstrittenen Buch, daß einige der Geschichten ihren Verfasser als einen bedeutenden Schriftsteller (des Deutschen) ausweisen. Ich habe auch den Eindruck, daß die beschriebenen Ereignisse und Zustände einen Humoristen verbindert haben. Eine Geschichte wie jene, auf diedas Umschlagbild anspielt, ein überpinseltes WC-Schild mit der Aufschrift „Männer", das noch die früher dort gestandenen Wörter „Herren" und „Gospodje" aus der Monarchie erkennen läßt, wäre umwerfend komisch und köstlich zu nennen, wenn sie nicht eigentlich und letztlich sehr traurig wäre. Kärnten hat verhindert, daß aus Messner der Kishon der Slowenen wurde.

Ich bin weltanschaulich und politisch sicher nicht so d'accord mit dem Autor wie Peter Turrini, der in seinem im Buch abgedruckten Text schreibt: „Ich glaube, ich liebe ihn wie einen Bruder." Keine Zweifel aber habe ich an Messners subjektiver Ehrlichkeit - und an seinem schriftstellerischen Rang. Vielleicht bringt er in seinem geräumigen Zorn auch einiges unter, was nicht „ethnogen" ist, sondern unserer allgemeinen existenziellen Misere entspringt. Man muß aber das, was er macht, auf dem Hintergrund dessen sehen, was er mitgemacht und durchgemacht hat. Und empfindet jemand einen, der verletzt worden ist, nun in dem, was er tut, verletzend, so ist er herzlich eingeladen, bei sich selbst zu beginnen und den Teufelskreis zu durchbrechen.

KÄRNTNER HEIMATBUCH. Von Janko Messner, EditorialeStampaTriestina Trieste 1980

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