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Milder Konig

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Eine Garnisonskaserne der marok-kanischen Hafenstadt Kenitra *m des friiheren franzosischen Kriegs-hafens Port Lyautey — an der Atlan-tikkiiste ist seit kurzem Schauplatz des wahrscheinlich mehrwochigen Militargerichtsprozesses gegen rund 1200 Offlziere und Mannschaften der Streitkrafte des nordafrikanischen Konigreiches, die der Teilnahme an dem mifigluckten blutigen Putsch-versuch des Generals Medbou und des Obersten Ababou im Juli vorigen Jahres beschuldigt werden. Das Gericht konnte schon in der ersten ProzeBwoche glaubhaft machen, daB es keine abschreckende Rache an den Feinden der Monarchic nehmen und keinen SchauprozeB veranstalten will. Konig Hassan II., der damals seiner geplanten Ermordung entging, wunscht nach Angaben eines Regie-rungssprechers eine ungestorte Auf-klarung der Ereignisse vom letzten Sommer.

Auslandische Berichterstatter kon­nen dem ProzeBverlauf natiirlich nicht folgen. Doch in den Sitzungs-pausen erhalt man von Richtern, Staatsanwalten und Verteidigern be-reitwillig Auskunft. Allgemein wird bedauert, daB die Putschistenfuhrer Medbou und Ababou wahrend der SchieBerei im Kdnigspalast von Skhirat von ihren eigenen Untar-gebenen erschossen wurden. Dieser Irrtum der an der Verschworung Be-teiligten ist jetzt allerdings eines der Hauptargumente der Verteidigung. Sie hofft, beweisen zu konnen, daB die Angeklagten iiber die wahren Ziele ihrer Anfuhrer im unklaren gelassen worden waren und schlimmstenfalls fahrlassig den un-durchsichtigen Befehlen ihrer Vor-gesetzten lolgten. Den meisten Ange­klagten diirfte ohnehin kaum nach-zuweisen sein, daB ihre Behauptung falsch sei, sie hatten an eine Ver­schworung gegen den Monarchen ge-glaubt und diesen lediglich vor den unbekannten Verratern schiitzen wollen.

In Rabat vertraten politische Kreise die Ansicht, der Massen-prozeB werde ohne besonders harte Urteile enden. Konig Hassan komme es vielmehr darauf an, durch einen korrekten ProzeBablauf und durch Milde bei den zu erwartenden Urtedlen die nationale Versohnung in seinem Land zu beschleunigen.

Diese nationale Versohnung soil auch in einer neuen Verfassung, der Auflosung des gegenwartig kaum mit echten politischen Mitspraohe-rechten ausgestatteten Parlamentes und Neuwahlen zum Ausdruck kom-men, die unmittelbar nach dem aller­dings noch nicht ahzusehenden Pro-zeBende bekanntgegeben werden sol-len. Der Monarch hat sich, wie aus seiner Umgebung verlautet, ent-schlossen, den Forderungen der bei-den Oppositionsparteien, des natio-nalistischen „Istiklal“ und der sozialdemokratischen UNFP, min-destens teilweise nachzugeben. Er will einen Teil seiner Souveranitatsrechte an eine frei gewahlte Regie-rung abgeben und dadurch den Weg freimachen zur Umgestaltung des absolutistischen in ein konstitutio-nelles Konigreich. Diese Umgestal­tung soil die politische Stellung Marokkos In der beabsichtigten „Maghrib-F6deration“ entscheidend starken. An der neuen Verfassung wird bereits gearbeitet, und der Monarch unterhalt seit langerem enge Kontakte mit fiihrenden Oppo-sitionspolitikern.

In Rabat dementiert man jedoch entschieden alle Spekulationen iiber eine bevorstehende Abdankung des Konigs zugunsten des noch minder-jahrigen Kronprinzen.

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