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Neue Freiheiten für die Sicherheitspolizei

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Bisher war der rechtliche Raum, in dem die Sicherheitspolizei tätig war, durch eine Vielzahl von Gesetzen (zum Beispiel Strafprozeßordnung, Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen) geregelt. In dieser Fülle wird nun das Sicherheitspolizeigesetz hinzugefügt.

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Bisher war der rechtliche Raum, in dem die Sicherheitspolizei tätig war, durch eine Vielzahl von Gesetzen (zum Beispiel Strafprozeßordnung, Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen) geregelt. In dieser Fülle wird nun das Sicherheitspolizeigesetz hinzugefügt.

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Das Gesetz vom 27. Oktober 1862, Reichsgesetzblatt, ist Bestandteil des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867, und dieses Gesetz ist gemäß Artikel 149 Bundesverfassungsgesetz in der Fassung von 1929 Bestandteil unserer Verfassung.

Das aus 1862 stammende Gesetz zum Schutz des Hausrechts besagt: „Eine Hausdurchsuchung... darf in der Regel nur kraft eines mit Gründen versehenen richterlichen Befehls unternommen werden. Dieser Befehl ist den Beteiligten sogleich oder doch innerhalb der nächsten 24 Stunden zuzustellen." Das Sicherheitspolizeigesetz (SiPolG) sieht anderes vor: „Paragraph 34. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind in Fällen der ersten allgemeinen Hilfe-leistungspflicht ermächtigt, Grundstücke und Räume zu betreten, sofern dies für die Feststellung der Gefahrenquelle oder für die Hilfeleistung nötig ist. (3) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt Räume, Kraftfahrzeuge und Grundstücke zu durchsuchen, soweit dies der Suche

1. nach einem Menschen dient, dessen Leben oder Gesundheit unmittelbar gefährdet erscheint;

2. nach einem Menschen dient, von dem eine allgemeine Gefahr ausgeht;

3. nach einer Sache dient, die für einen allgemeinen Angriff bestimmt ist.

Sobald ein gefährlicher Angriff, der strafrechtlich verfolgt werden kann, beendet ist, gelten für die Durchsuchung die Regeln der StPO." (Strafprozeßordnung)

Die genannte Strafprozeßordnung ist viel genauer als das neue Gesetz, das die Tätigkeit der Sicherheitspolizei regeln soll.

Im Paragraph 139. (1) steht: „Eine Hausdurchsuchung... darf nur dann vorgenommen werden, wenn begründeter Verdacht vorliegt. (2) Gegen Personen, bei denen eine hohe Wahrscheinlichkeit für den Besitz solcher Gegenstände spricht oder die eines Verbrechens oder Vergehens verdächtig oder sonst übel berüchtigt sind, ist auch die Durchsuchung der Person und ihrer Kleidung zulässig."

Paragraph 140. (1) schränkt weiter ein: „Eine Durchsuchung ist in der Regel nur nach vorausgegangener Vernehmung... insofern zulässig, als durch die Vernehmung weder die freiwillige Herausgabe des Gesuchten noch die Beseitigung der die Durchsuchung veranlassenden Gründe herbeigeführt wird."

Das bedeutet im Klartext, daß die neue gesetzliche Bestimmung mit dem Begriff „auf der Suche" keinen konkreten Tatverdacht haben muß, um tätig zu werden. Die Intention legalisiert bereits die Amtshandlung. Sicherheitsorgane müssen nach dem neuen Gesetz nicht sagen, wonach und warum sie suchen.

Auch die neue Bestimmung im Sicherheitspolizeigesetz zur Durchsuchung von Menschen senkt deutlich die Schwelle, ab welchem Augenblick durchsucht werden kann: Paragraph 33. (2) „Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind außerdem ermächtigt, Menschen zu durchsuchen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, diese stünden mit einem gegen Leben, Gesundheit, Freiheit oder Eigentum gerichteten gefährlichen Angriff in Zusammenhang..."

Der Unterschied zwischen den Formulierungen in den Gesetzestexten ist deutlich: „hohe Wahrscheinlichkeit" (StPO) „auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen" (SiPolG).

Ganz neu ist die im Sicherheitspolizeigesetz aufgenommene „Inanspruchnahme von Sachen":

Paragraph 39. (1) „Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes dürfen fremde Sachen in Anspruch nehmen, wenn deren Gebrauch zur Abwehr eines gefährlichen Angriffes oder für die Erfüllung der ersten Hilfeleistungspflicht unerläßlich erscheint."

Die Polizei kann also im Bedarfsfall ein Privatauto zur Verbrechensbekämpfung einsetzen. Für Schäden haftet der Bund Paragraph 94. (2) des neuen Gesetzes für die Sicherheitspolizei. In welchem Umfang die Haftung erfolgt, wird nicht festgestellt. Gibt es Schadenersatz nach Zeitwert oder wird der mögliche Verdienstentgang mitberücksichtigt?

Auch bei der Sicherstellung von Kraftfahrzeugen ist die vorgesehene gesetzliche Regelung hart. Nach der heutigen Rechtssprechung konnten Fahrzeuge, die angeblich für Diebsfahrten herangezogen wurden, beschlagnahmt werden.

Nach Paragraph 37 des Sicherheitspolizeigesetzes ist die Beschlagnahmung auch weiterhin möglich. Uberraschend der darauf folgende Paragraph 38. (1): „War eine... sicherge,-stellte Sache innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten nach der Sicherstellung nicht auszufolgen, weil die für die Sicherstellung maßgebliche Gefahr weiterbesteht... so gilt sie als verfallen." Der Betroffene muß innerhalb von sechs Monaten einen Antrag auf Ausfolgung stellen. Welcher Betroffene weiß das schon? Wenn also ein Strafverfahren nach sieben Monaten eingestellt wird, weil der Betroffene unschuldig ist, hat er sein Auto verloren, wenn er keinen Antrag gestellt hat.

Paragraph 40. (I) regelt die „Persönliche Freiheit". „Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, erstens Menschen, die wegen Geisteskrankheit, Schwachsinn odereinertiefgreifenden Bewußtseinsstörung zurechnungsunfähig sind, oder zweitens, Unmündige... festzunehmen, sofern sie auf frischer Tat betreten werden oder der Verdacht sonst in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Tat entsteht."

Die Überstellung an Vormundschafts- oder Pflegschaftsgericht ist nicht so rigoros geregelt. Im Gegensatz steht: „Ist die Ubergabe - aus welchem Grund immer - nicht möglich, so ist eine Entscheidung des Jugendwohlfahrtsträgers einzuholen und der Unmündige allenfalls diesem zu übergeben." Streng genommen ist auch Personalmangel ein Grund, die Überstellung nicht vorzunehmen.

Die Liste der Beispiele ließe sich nahezu beliebig fortsetzen. Aus dem neuen Gesetz ergeben sich keine konkreten Richtlinien für die Normadressaten (Summe derjenigen, die den Normen unterworfen sind, also die Bevölkerung).

Das Sicherheitspolizeigesetz verfügt über kein Instrumentarium zur Wahrung der Rechte des einzelnen, im Gegenteil, es verkürzt die bestehenden.

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