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(Rosen-)Kavalier mit Strupfen

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Der neue Salzburger „Rosenkavalier”, inszeniert von Günther Rennert, dirigiert von Christoph von Dohnanyi: Das war einmal eine Aufführung aus einem Guß! Da hob sich nicht die Musik leuchtend vom fehlinszenierten Geschehen auf der Bühne ab. Da war, mit wenigen Ausnahmen, das eine so färb- und spannungslos wie das andere.

Der neue Salzburger „Rosenkavalier” ist eine Aufführung für Berliner oder Hamburger Touristen, die gern über die Bayern lachen. Denn für einen äußerst ungehobelten Hinter-Bajuwaren (keineswegs für einen Münchner!) kann man diesen Ochs auf Lerchenau leicht halten, und das ungehobelte Gefolge, das ihm Rennert mitgibt, könnte dem Fundus der deutschen Kino- Klamotte entstiegen sein.

Durch die Vergröberung des Ochs zum Ochsen kommt das ganze Gefüge des „Rosenkavalier” aus dem Gleichgewicht. Und wenn obendrein das fehlgeleitete Orchester die Stimmung dieses Werkes ruiniert, ist’s plötzlich nicht mehr die Jugend, die zu ihrem Recht kommt, sondern dann hat der Mitgifijäger Ochs seinen Meister gefunden.

In der ersten Szene stecken noch Ansätze, Gundula Janowitz ist unterwegs zur Marschallin, aber noch nicht angelangt, noch glaubt man ihr nicht, was sie technisch so schön singt. Yvonne Minton hat viel, was so manchem Octavian fehlt. Ich könnte sie mir als einen begeisternden Octavian vorstellen - in einer anderen Inszenierung, mit den Wiener Philharmonikern unter einem Dirigenten, dessen Sache der „Rosenkavalier” ist.

Weil das an Regie- und Dirigentenpult geleistete fatale Teamwork die Gefühlswerte der Musik unrealisiert läßt, wird da plötzlich keineswegs ein junger Mann unwiderstehlich von einem schönen jungen Mädchen angezogen, sondern das mißverständliche

Handlungsskelett tritt hervor. Die Liebe bleibt im unverständlichen, zum Teil vom Orchester zugedeckten Text und auf dem Papier von Richard Strauss’ Partitur, so läßt also der Rosenkavalier die Marschallin ang’lahnt, macht den Freier, dessen Sache er vertreten sollte, restlos unmöglich und seinerseits die gute Partie. Ein feiner Kavalier. Ein Kavalier mit Strupfen. Wenn die Musik auf der Strecke bleibt, ist der „Rosenkavalier” die Geschichte einer geschickt genutzten Gelegenheit zu einer guten Partie.

Rennert geht wenigstens konsequent vor, daher wird’s immer ärger. Da die Ausstatter Colasanti und Moore nur auf Augenschmaus bedacht sind, bauen sie dem Faninfal das falsche Palais. Jetzt heiratet der Rosenkavalier gleich ins Belvedere ein, was die reine Liebe noch verdächtiger macht.

Der letzte Akt mündet geradezu auf Holzdorfers Geisterbahn im Wiener Prater. Aber die Gespenster, die da ihre Köpfe aus all den sich gleichzeitig öffnenden Klappen stecken, können natürlich auch symbolhaft für die Mißverständnisse stehen, die diese Inszenierung in den Köpfen von Leuten, die den „Rosenkavalier” nicht anders kennen, auslösen mag.

Eine Kritik bescheinigte Rennerts Inszenierung „Oasen der Verzauberung. Ich bin einverstanden, was die übliche Umgebung von Oasen betrifft: Wüste.

Lucia Popp, Ernst Gutstein, Kürt Moll als Ochs, in der Lever-Szene Luciano Pavarotti, Doris Soffel und David Thaw als Intrigantenpaar: Unterschiedlich starke Besetzungen, aber keiner kann etwas für den Ausrutscher eines sonst verläßlichen Regisseurs und für die Fehlbesetzung am Pult. Fehlkonzeptionen und Fehlbesetzungen sind entschuldbar - aber bei einem Salzburger „Rosenkavalier” sind sie es in diesem Ausmaß nicht.

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