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SED-Genossen kommen unter die Lupe

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Die SED will die Maschen ihres Sicherheitsnetzes noch enger knüpfen und gegen „Unruhestifter“ hart durchgreifen. Der Leiter der Abteilung Sicherheitsfragen des Zentralkomitees der SED, Generaloberst Herbert Scheibe, hat ein Programm zur Säuberung der Partei von unerwünschten „Abweichlern“ vorgelegt. Danach sollen alle SED-Mitglieder auf unbedingte Zuverlässigkeit überprüft werden.

Mit der Durchführung wurde das Ministerium für Staatssicherheit beauftragt. Der DDR-Staatssicherheits- dienst hat die erforderlichen Vorarbeiten eingeleitet So hat der Minister für Staatssicherheitsdienst, Generaloberst Erich Mielke, 2400 Partei-, Staats- und Wirtschaftsfunktionäre sowie Funktionäre der Massenorganisationen und Angehörige der bewaffneten Organe der DDR kürzlich in Chemnitz (Karl-Marx-Stadt) zur weiteren Festigung der „sozialistischen Gesetzlichkeit, Ordnung und Sicherheit“ verpflichtet. Die SED-Funktio- näre sollen aktiv mithelfen, die Partei von „subversiven Elementen“ zu säubern. Zunächst sollen jene SED-Mitglieder unter die Lupe genommen werden, die Verwandte in der Bundesrepublik und in West-Berlin haben. Erst an zweiter Stelle will man sich näher mit den „Regime-Kritikern“ befassen. Es soll generell erreicht werden, dsiß SED-Mitglieder von sich aus jeden persönlichen Kontakt zu Men schen in der Bundesrepublik und in West-Berlin abbrechen. Das gilt für Verwandten- und Bekanntenbesuche und für briefliche Kontakte. Besuche aus der Bundesrepublik und aus West-Berlin sollten von SED-Mitglie- dern möglichst nicht empfangen werden.

In den Parteizentralen der Städte und Gemeinden herrscht Nervosität und Unruhe. Die politisch-ideologische Schulungs- und „Überzeugungsarbeit“ wird bereits intensiver denn je betrieben. Man will offenbar den Genossen schonend aber gezielt beibrin- gen, daß Westkontakte mit der SED- Mitgliederschaft nicht vereinbar sind.

Im übrigen sieht das Säuberungsprogramm vor, erkannten „Meckerern und Miesmachern“ rigoros die SED-Mitgliedschaft zu entziehen. So glaubt man offenbar, am ehesten die Wogen der Unzufriedenheit und Auflehnung glätten und gefährlichen ideologischen Aufweichungserscheinungen im Inneren begegnen zu können.

Die Maßnahmen der SED lassen nur eine Schlußfolgerung zu: Offenbar hat die SED-Führung weiterhin Schwierigkeiten, ideologische Bedenken der Parteimitglieder hinsichtlich der DDR-Politik, insbesondere gegenüber der Bundesrepublik, zu zerstreuen. Dies geht aus zahlreichen Stellungnahmen namhafter SED-Funktionäre hervor.

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