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Auf „Dolce Vita“ will keiner verzichten

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I Was in gut informierten Kreisen längst bekannt war, j brachte das Nachrichtenmagazin „DER SPIEGEL“ spektakulär an den Tag: In der DDR gibt es eine Opposition gegen das herrschende Regime. Man mag über das tatsächliche Bestehen eines „Bundes Demokratischer Kommunisten Deutschlands“ (BDKD) in der DDR geteilter Meinung sein, man mag die Echtheit des im „SPIEGEL“ veröffentlichten Manifestes dieser oppositionellen Gruppe anzweifeln; Tatsache ist: eine Opposition gegen das korrupte Honecker-Regime gibt es in der DDR seit Jahren.

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I Was in gut informierten Kreisen längst bekannt war, j brachte das Nachrichtenmagazin „DER SPIEGEL“ spektakulär an den Tag: In der DDR gibt es eine Opposition gegen das herrschende Regime. Man mag über das tatsächliche Bestehen eines „Bundes Demokratischer Kommunisten Deutschlands“ (BDKD) in der DDR geteilter Meinung sein, man mag die Echtheit des im „SPIEGEL“ veröffentlichten Manifestes dieser oppositionellen Gruppe anzweifeln; Tatsache ist: eine Opposition gegen das korrupte Honecker-Regime gibt es in der DDR seit Jahren.

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Diese inzwischen in der DDR weitverbreiteten oppositionellen Regungen richten sich in erster Linie gegen das korrupte Verhalten führender SED-Funktionäre, gegen den vom ZK der SED geförderten Amtermiß brauch auf politischer und wirtschaftlicher Ebene und gegen das skandalöse Schmarotzertum einer kleinen Funktionärs-Clique, die dem Volk das verbietet, was sie täglich selbst praktiziert Ein Leben in angehäuftem Reichtum und im kapitalistischen Lebensstil Denn so sehr sich hohe SED-Funktionäre auch in der Öffentlichkeit als „Vertreter der Arbeiterklasse“ präsentieren, auf materiellen Reichtum und auf „Dolce vita“ will keiner verzichten.

Dieser materielle Reichtum der in

der DDR herrschenden SED-Funktionäre zeigt sich besonders im privaten Bereich, kommt in ihren luxuriös ausgestatteten Wohnvillen zum Ausdruck. Während sich die werktätige Bevölkerung in der DDR mit einem bescheidenen Lebensstil zufriedengeben muß, leben die Spitzenfunktionäre der DDR in abgeschirmtem Wohlstand.

Da ist zunächst Moskaus treuester Genosse und Statthalter der DDR, Erich Honecker. Gut informierte Kreise wollen wissen, daß der Chef des „Arbeiter- und Bauernstaates“ DDR ein Einkommen von monatlich 25.000 Mark hat Wen wundert's da, wenn er materiellen Verzicht nicht kennt In seiner privaten Umgebung findet man eine Fülle von modernstem West-Komfort. „Gute Freunde“ schätzen besonders Honeckers private Schnapsbar, die vorwiegend alkoholische Getränke von westlichen Markenfirmen beinhaltet. In Honeckers Mülltonnen fanden Arbeiter unter anderem Verpackungsmaterial westdeutscher Bohnenkaffeesorten, Fischbüchsen westdeutscher Hersteller und leere Zigarettenschachteln amerikanischer Herkunft. Der SED-Chef scheint eine Vorliebe für westliche Erzeugnisse zu haben.

Den westlichen Lebensstil scheint auch Albert Norden, Mitglied des Politbüros der SED, zu lieben. Die luxuriöse Ausstattung seiner 10-Zimmer-Vüla besorgten westliche Firman. Allein die Täfelung der Räume besteht aus afrikanischen Edelhölzern, die noch heute in der DDR unerhältlich sind. Die zahlreichen kostbaren Leuchten in den feudalistisch eingerichteten Räumen wurden in Belgien erstanden. Die gesamte Badezimmereinrichtung lieferte eine Firma aus Frankreich. Ein komplettes Herrenzimmer kaufte Herr Norden in der Schweiz und die kostbaren Teppiche auf den Parkettfußböden der Villenräume kamen aus der Türkei. Sein monatliches Einkommen soll bei 16.500 Mark hegen.

Auch Horst Sindermann, Präsident der Volkskammer und Mitglied des Politbüros der SED, liebt die „schönen Dinge“ aus dem Westen. In seiner 12-Zimmer-Villa in der von der Außenwelt abgeschirmten Prominentensiedlung im Ortsteil Wandlitzsee findet man reichlich West-Komfort Komplette Zimmereinrichtungen lieferten Firmen aus Frankreich und Belgien. Kostbare Wandbehänge aus der Türkei und aus Griechenland zieren die Wände von Sindermanns Prunkvilla. Die eingebaute Stereo-Anlage trägt das Markenzeichen einer westdeutschen Herstellerfirma. Die Genossen bevorzugen also eine Privatsphäre im westlichen Lebensstil.

Nicht weniger aufwendig sind die abgeschirmten Wohnvillen der übrigen Mitglieder des Politbüros der SED ausgestattet. Sie alle, die täglich ihren Untertanen einzureden versuchen, wie verderblich für die Menschheit der kapitalistische Lebensstil sei, pflegen diese westlichen Lebensformen. Das fordert den Protest vieler kleinerer Funktionäre geradezu heraus. Denn inzwischen hat es sich herumgesprochen, wie es in der Privatsphäre der DDR-Prominenz aussieht.

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