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Spurensuche

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Wir befinden uns in einer Lebenswelt, die weitgehend von Zweckrationalität bestimmt ist. Außerdem sind viele von der Kirche enttäuscht und können in ihr nicht mehr das .sichtbare Zeichen“ erkennen, an dem die Wahrheit der Offenbarung abgelesen werden kann.

Eugen Biser sieht in dieser Situation zwei Buchtitel als wegweisend: ,Auf den Spuren der Engel“ (von Peter L. Berger) und ,^Auf der Suche nach Jesus Christus“ (von Christian Schütz).

Der Mensch, der glauben möchte, soll sich bescheiden auf die „Suche“ begeben. Auf dieser Suche bedarf er der „Weisheit des Schweigens“ (Christian Schütz). Es gibt dafür Vorbilder in der Tradition der negativen Theologie und der Erfahrung des mo-nastischen Schweigens.

Und was soll er suchen? Die Spuren der Transzendenz und die Spuren der Wirkungsgeschichte Jesu. „iicht spektakuläre Fakten sind ausfindig zu machen, sondern allenfalls JSpuren', die erst zusammengenom-. men darauf hinweisen, daß etwas in Gang gekommen ist“ (Eugen Biser).

Solche Spuren lassen sich entdecken an den „teibungs-flächen und Bruchstellen der heutigen, von Zweckrationalität bestimmten Lebenswelt“. Eugen Biser verweist in diesem Zusammenhang auf die Kontingenzerfahrung, auf die „wachsende Einsicht in die Zu-fälligkeit des Daseins“.

Er sieht solche Spuren der Transzendenz aber auch „in der Geste der Mutter, die das weinende Kind beschwichtigt und ihm dadurch zur Wiederherstellung des gestörten Urvertrauens verhilft“, wie auch „im Spiel des Kindes, das inmitten der lückenlos funktionierenden Leistungsgesellschaft ein Zeichen zweckfreien Handelns setzt“.

Um solche Spuren entdek-ken zu können, muß sich zuerst der Mensch das oft unterdrückte Bedürfnis nach Religiosität eingestehen.

Ähnliches gilt auch für die Spuren der Wirkungsgeschichte Jesu. „Sie sind in erster Linie dort zu entdecken, wo inmitten einer säkularisierten Welt ein neues Verantwortungsbewußtsein — für Behinderte und Alte, für sozial Schwache, für die Notleidenden der Dritten Welt und nicht zuletzt für die vom Menschen ausgebeutete Natur — erwacht, wo etwa im Verlangen nach neuer Innerlichkeit die lange genug vernachlässigte Personwürde des Menschen zu Ehren kommt, oder wo mit der wachsenden Einsicht in die Unabdingbarkeit des Friedens das Friedensvermächtnis Jesu Einfluß auf das politische Bewußtsein zu gewinnen beginnt“ (Eugen Biser).

Der Autor ist Professor fur Pastoraltheologie an der Katholisch-Theologischen Hochschule in Linz.

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