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„Mystiker4“

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„Der Fromme von morgen, wird ein Mystiker“ sein, einer, der etwas ,erfahren“ hat, oder er wird nicht mehr sein.“ Wie kommt Karl Rahner zu dieser Feststellung und was meint er damit?

Die Frömmigkeit von morgen sieht Rahner in vielfacher Weise Belastungen ausgesetzt. Sie ist belastet durch die „aktive Welt- und Selbstmanipulation des Menschen“, die aus der sich dem Walten himmlischer Mächte verdankenden Welt einen .^Steinbruch“ wissenschaftlich-technischer Weltkonstruktion macht; durch den zunehmenden Hang innerweltlicher Analyse aller Verhältnisse, dem religiöse Erfahrung nur noch als Relikt einer mythischen Vorwelt gilt und durch die Umkehrung der traditionellen Theodizee in den Anspruch einer Rechtfertigung Gottes vor dem Forum der „gequälten Kreatur“...

Darum fordert Rahner eine Frömmigkeit, die sich zu einem unmittelbaren Verhältnis zu dem „unsagbaren Gott“ durchringt und den Mut aufbringt, die „schweigende Selbstmitteilung“ dieses Gattes „als das wahre Geheimnis des eigenen Da-

seins“ anzunehmen. Um diese Verwiesenheit des Menschen auf Gott zu begreifen und zu erfahren, bedürfe es einer ,'Mystagogie“, einer Hinführung auf das absolute Geheimnis des schweigenden Gottes.

Aber gibt es Vorbilder für eine solche Spiritualität?Eugen Biser nennt Paulus: „Wenn der Christ der Zukunft dem Rahner-Wort zufolge ein Mystiker sein wird, dann wird er dies im Anschluß an die paulinische Spiritualität sein!“. Denn Paulus spräche mehr und nachdrücklicher als andere

neutestamentliche Autoren von Glaubens- und Heilserfahrung. „n seiner Berufungsstunde sei ihm, so sagt er im Schlüsseltext des Gala-terbriefs, das Geheimnis des Gottessohnes ins Herz gesprochen worden.“

Paulus erfährt Jesus selbst als den Helfer in Existenz-und Identitätsnot. „Er vertritt ein Christentum, das seine Botschaft so vermittelt, daß sie zugleich als Licht und Hilfe - Hilfe zu Selbsthilfe und Selbstsein - erfahren wird“ (Eugen Biser).

„)er Fromme von morgen, wird... einer sein, der etwas erfahren hat...“ Bei der von Karl Rahner geforderten Frömmigkeit von morgen geht es nach Eugen Biser um „eine Frömmigkeit, die bei allem kirchlichen und sozialen Engagement ihr Zentrum doch nirgendwo anders als in der Gottesfreundschaft und dem sich (2 Kor „6) von Tag zu Tag erneuernden ,inneren Menschen“ hat, weil sie weiß, daß es nur ihm gegeben ist, die Menschen zu mehr Menschlichkeit zu bewegen und dadurch die Welt zu verwandeln“ (Eugen Biser).

24. Teil einer Serie zum Buch „Die glaubensgeschichtliche Wende“ von Eugen Biser.

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