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Gegenwart Jesu

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Der Mensch ist ursprünglich und von Natur aus zum Glauben veranlagt; ähnlich wie zum Gehen, Sprechen und zum Lieben. Diese Veranlagung aber muß .getätigt“ und freigesetzt“ werden. Und diese Freisetzung erfolgt nach Eugen Biser nicht durch Argumente und Unterweisung, sondern durch inspirative Impulse. Das heißt im Blick auf den christlichen Glauben: ,£um Glauben wird man nicht erzogen und angeleitet, sondern bewogen; bewogen durch die von Jesus vielfältig ausgehende Inspiration, die in dem Maß, wie sich Menschen von ihr berühren lassen, in ihnen den Glauben weckt.“

Eugen Biser sucht in diesem Zusammenhang nach dem „Neuen“, das durch Jesus in die Welt gekommen ist, nach Spuren, an denen die nachwirkende Inspiration heute erkannt werden kann.

Eine solche Spur sieht er in der Feststellung von Romano Guardini, daß durch das Christentum die menschliche Existenz „einen Ernst, den die Antike nicht gekannt hat“, gewonnen hat. Dieser neue Ernst, wie auch die damit verbundene neue Würde, „stammt nicht“, so Romano Guardini, „aus der eigenmenschlichen Reife, sondern aus dem Anruf, den die Person durch Christus von Gott her erfährt“.

Ähnliches gilt auch für all jene zeichenhaften Vorgänge, an denen erkannt werden kann, daß das von Jesus angekündigte Reich Gottes anbricht, daß die Sache Jesu weitergeht, oder die zeigen, daß christlicher Glaube zur Angstüberwindung beiträgt oder zum Frieden verhilft. Wo sich solches ereignet, ist Jesus anwesend und kann direkt oder indirekt Menschen zum Glauben bewegen.

Man kann von einer zweifachen Gegenwart Jesu sprechen. Er ist zugegen als der .fortlebende Christus“. Er lebt im Bewußtsein vieler Christen und wird von vielen Menschen wieder neu entdeckt.

Es gibt aber auch eine „kulturgeschichtliche Selbst-vergegenwärtigung Jesu“, weil er das Bewußtsein des abendländischen Kulturkreises geprägt hat und prägt. Es ist zu überlegen, inwiefern gerade die spezifi-schenlnhalte dieses Bewußtseins „wie Freiheit, Menschenwürde und Friede“ Werte sind, „die in letzter Provenienz der Botschaft und der Selbstgewährung Jesu entstammen“ (Eugen Biser). Wo Menschen sich von diesen Werten inspirieren lassen, werden sie auch indirekt von Jesus zu einem „Glauben“ bewogen, der als „anonymes Christentum“ verstanden werden kann.

In beiden Fällen aber ist Jesus offen oder verborgen die zum Glauben bewegende Kraft.

Achter Teil einer Serie zum Buch „Die glaubensgeschichtliche Wende“ von Eugen Biser.

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