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Glaube ah Verstehen
Es sind vor allem die Zeit-und Lebensverhältnisse, die eine Glaubenswende erfordern:
• Vom Wissens- zum Erfahrungsglauben,
• vom Satz- zum Vertrauensglauben,
• vom Gehorsams- zum Ver-stehensglauben.
Von den beiden ersten Aspekten war in den beiden letzten Beiträgen die Rede. Was veranlaßt nun die Wende vom Gehorsams- zum Verstehensglauben? Was ist darunter zu verstehen?
Kennzeichen unserer Zeit ist eine umfassende Infragestellung der Autorität; eine Erschütterung der politischen, familiären, doktrina-len und auch kirchlichen Autoritäten. In Frage gestellt ist vor allem jene Autorität, die sich als Macht versteht, die Unterwerfung und Gehorsam fordert. Dies betrifft auch den Glauben, der als blinder Gehorsam gegenüber der Gottesautorität verstanden wird.
DieLösung der Autoritätskrise liegt nun nicht in der Abschaffung der Autorität, sondern in der Neuinterpretation. Autorität ist nicht Überlegenheit und Macht, sondern Vorsprung im Wissen und Verstehen. „Danach besteht die primordiale Autorität, wie sie Personen zukommt, ... nicht in der Überlegenheit dessen, der auf legitime oder gewaltsame Weise ,an die Macht gelangte', sondern in dem geistigen Vorsprung dessen, der, sei es aus überlegener Einsicht oder Erfahrung, .etwas zu sagen hat'“ (Eugen Biser).
Auf den Glauben bezogen verweist Biser auf Joh 15J.5: „Nicht mehr Knechte nenne ich euch; denn der Knecht weiß nicht, was der Herr tut. Freunde habe ich euch genannt, weil ich euch alles mitgeteilt habe, was mir von meinem Vater gesagt worden ist.“
„Wenn irgendwo, liegt hier der Schlüssel zur definitiven Bewältigung des Autoritätsproblems, wie es sich dem glaubenswilligen Menschen stellt. Die Lösung hat die Form der Erlösung. Demnach besteht sie nicht etwa darin, daß der Vorrang der Autorität gebrochen und ein Zustand der Nivellierung geschaffen wird, sondern darin, daß Gott den Menschen zu sich erhebt und ins Einvernehmen zieht.
Glaube ist so gesehen nicht ein Akt der Unterwerfung und des blinden Gehorsams. Glaube bedeutet, daß Gott den Menschen ins Vertrauen zieht wie ein$n Freund, und daß der Mensch bereit ist, das anzunehmen, was Gott ,ihm zu sagen hat', besonders in und durch Jesus. Glauben heißt „Gott verstehen“. Er vermittelt einerseits Einsicht, läßt aber auch Gott „verstehen“, wo wir ihn nicht begreifen können.
19. Teil einer Serie zum Buch „Die glaubensgeschichtliche Wende“ von Eugen Biser.
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