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Träume von gestern für heute

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Es gibt noch schnell vor den Pfingstfeiertagen einige gute und sehenswerte Filme im Wiener Kinoprogramm: da ist wohl zunächst — wegen seiner enormen Aktualität — der Flugzeugerpressungsfilm „Die Uhr läuft ab“ (Ransom, Regie: Cas-per Wrede) zu nennen, in dem ein hoher Beamter des Sicherheitsdienstes (Sean Connery) in einer britischen Botschaft in Skandinavien, ein Botschafter und sein Personal von Anarchisten als Geiseln genommen werden (um Gefangene in England freizubekommen) und gleichzeitig von Komplicen eine Linienmaschine in ihre Gewalt gebracht wird, um die Anarchisten in Sicherheit zu bringen. Die weitere Handlung, die eine sehr überraschende Schlußpointe ausweist, sei nicht verraten; jedenfalls ist der Film überaus spannend und sehr geschickt gemacht — und da sage noch jemand, Film sei ein bedeutungsloses Medium, wenn er richtiggehend zukünftige Ereignisse vorwegzunehmen imstande ist! Er ist ein begnadetes Kind der Phantasie...

Luchino Visconti ist neben Fellini, Antonioni und Pasolini noch immer der größte (lebende) Filmregisseur Italiens — und selbst seine mißglückten Werke zeigen stets unerhört viel Können, Geschmack, Filmästhetik und eine Idee. Wenn auch Gewalt und Leidenschaft“ der eilige und nicht so wie früher lange geplante Film eines Kranken ist, so ist er dennoch so stark Visconti, daß man ihn sehen sollte und bewundern könnte: er schildert wieder den Untergang eines kultivierten, feinen Menschen und wahren Nobile, eines weltfremden Kunstliebhabers

(Burt Lancaster — warum eigentlich?), der in unserer heutigen lieblosen, kontaktarmen, ja herzlos-brutalen und berechnenden Welt nicht mehr zurechtkommt — und schließlich sterben wird. Das alte „Leo-pard“-Thema, bei Visconti stets wiederkehrend, ist hier etwas weniger logisch und stimmend als früher, doch mit der gleichen Gewalt und Leidenschaft wie einst behandelt worden: Visconti schildert großartig sich selbst und die Welt um ihn, unsere Welt, in der Sensibilität und Empfindung, Gefühle keinen Platz mehr haben.

Von Visconti zum nächsten Film ist es ein sehr weiter Sprung, es liegen nicht nur Welten, sondern auch Kontinente dazwischen: „Flesh Gordon“ ist eine amerikanisch-kanadische Sex-Persiflage, die selbstverständlich, wie Vorspann und Reklamematerial versichern, keinerlei Identität mit der von Alex Raymond 1934 erfundenen Comic-Gestalt Flash Gordon aufweist (die bald darauf Stoff für eine Rundfunkserie und Vorlage für eine 13teilige, 1936, und eine 15teilige Filmserie, 1938, mit Buster Crabbe als Titelheld lieferte).

Das in der deutschen Sychronisation sehr vulgäre und auch sonst nicht immer geschmackvolle utopische „Lust“-Spiel sollte von Comic-Kennern und -Liebhabern gesehen werden, ebenso wie Genre-Freunde den amerikanischen Terror-Film „Der Bucklige vom Horror-Kabinett“ (schon wegen seiner Veteranenstar-besetzung: Elsa Lanchester, Ray Mil-

land, Broderick Crawford, Jdhn Car-radine und Louis Hayward) nicht versäumen sollten, auch wenn diese Mischung zwischen Wallace-Krimi-nalfilm und „Wachsfigurenkabinett“-Schrecken etwas harmlos und nicht allzu erschreckend ist — aber es gibt in den Traumsequenzen ein paar schöne Effekte!

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