Der Dienst am Menschen lässt sich nicht erzwingen

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Die Zeit drängt: Kaum mit der Arbeit begonnen, soll die Zivildienst-Reformkommission schon in drei Monaten einen Endbericht vorlegen. Schwierige Fragen stehen an: Verkürzung des Zivildienstes? Einsatz von Freiwilligen? Noch ist die Kommission aber beschäftigt, Fahrtkostenersatz für ihre Mitglieder aufzutreiben.

Montag, 8.30 Uhr, im Parlament: Zahlreiche Schilder mit der Aufschrift "Zur ZDRK" weisen die Richtung, trotzdem finden bloß wenige den Weg zur Ausschusssitzung der Zivildienst-Reformkommission, Fachbereich Arbeitsmarkt. "Sechs von 36", klagt Theresia Haidlmayr, die Zivildienstsprecherin der Grünen. Haidlmayr sitzt auch noch in zwei anderen der vier Fachausschüsse: "Das Bild ähnelt sich da wie dort", sagt sie. Schuld an der geringen Teilnehmerzahl gibt die Grüne der mangelnden Koordination zwischen den Ausschüssen: Überschneidungen bei den Sitzungsterminen seien an der Tagesordnung, und für Kommissionsmitglieder aus den Bundesländern wären die Termine nur schwer wahrzunehmen. Haidlmayr sagt: "Hier wurde schnell ein Konstrukt gemacht, ohne viel nachzudenken, wie das Werkl funktionieren soll." Dafür stehe von Anfang an fest, was rauskommen soll, glaubt sie: "Ein Papier, das alte Dinge zementiert."

Steht Ergebnis schon fest?

Vom Ausschuss "Rechtliche Angelegenheiten" zeichnet Christian Kollmann von der Plattform für Zivildiener kein so tristes Bild: "Unser Ausschuss kommt gut voran." Einer Meinung mit Haidlmayr ist Kollmann aber bei der Kritik, dass es bislang keine Fahrtkostenentschädigungen für Mitglieder der Zivildienst-Kommission gibt. Ehrenamtlich für die Kommission arbeiten und dann auch noch für die Fahrtspesen selber aufkommen müssen, das ist sogar Kommissions-Vorsitzenden Fredy Mayer zuviel. Im furche-Gespräch (siehe unten) kündigt Mayer deswegen eine schnelle Lösung in dieser Frage an.

Den anderen Kritikpunkten Haidlmayrs will Vorsitzender Mayer aber keineswegs zustimmen: Der Schlussbericht sei bis Ende Jänner 2005 machbar, und es könne keine Rede davon sein, dass die Entscheidungen, wie Haidlmayr behauptet, "ohnehin schon weitgehend gefallen sind".

Nötig geworden ist die Zivildienst-Kommission, nachdem es der Bundesheer-Kommission heuer gelungen ist, eine Einigung über die Verkürzung des Präsenzdienstes auf sechs Monate zu erzielen - und die völlige Abschaffung der Wehrpflicht mittelfristig ins Auge zu fassen. Die Zivildienst-Kommission soll nun die erforderliche Kürzung des Zivildienstes vorbereiten und die Möglichkeiten eventueller freiwilliger Sozialdienste prüfen.

Die andere Möglichkeit, ein verpflichtender Sozialdienst, wird unter anderem von Caritas-Präsident Franz Küberl abgelehnt, der sich nicht vorstellen kann, dass "der Staat derartig in die Freiheitsrechte junger Menschen eingreift". Auch Theresia Haidlmayr und die Grünen sprechen sich so wie SPÖ und Junge ÖVP gegen einen Zwangsdienst aus, der laut Rechtsgutachten auch der Europäischen Menschenrechts-Konvention widersprechen würde.

59 Prozent für soziale Dienste

Außerdem brauche es in Österreich keine Verpflichtung zum sozialen Engagement, ist Clemens Pichler von der Bundesjugendvertretung überzeugt. Pichler präsentierte letzte Woche eine Studie des Österreichischen Instituts für Jugendforschung mit dem zentralen Ergebnis: Für 59 Prozent aller Jugendlichen im Land ist ein Freiwilligendienst vorstellbar. Franz Küberl, bei er Präsentation der Studie: "Das Ergebnis zeigt, dass bei den Jugendlichen die Motivation für freiwilliges Engagement stimmt." Der Caritas-Präsident sieht in solcher Lebenseinstellung von Jugendlichen auch ein Kontrastprogramm zur heutigen Eventkultur: "Dasein ist mehr als Wegschauen." Jetzt sei es Aufgabe der Politik, die Rahmenbedingungen zu schaffen, fordert Küberl. "Auch wenn die Abschaffung des Wehr- und damit des Zivildienstes nicht unmittelbar bevorsteht, müssen jetzt freiwillige Dienste gefördert werden", sagt Küberl, der auch in der Zivildienst-Kommission sitzt. Generell geht für ihn die Debatte rund um die Verkürzung und mögliche Abschaffung des Zivildienstes in die falsche Richtung: "Auch wenn der Rettungsdienst vom Zivildienst abhängt und bei seiner Abschaffung existenziell bedroht ist, muss man aufpassen, dass hier kein Ungleichgewicht entsteht. Die Zivildienstdauer darf nicht von den Trägerorganisationen festgelegt werden - das ist und bleibt Aufgabe des Parlaments."

"Das kostet auch etwas"

Diese Küberl-Forderung ist auch an Zivildienst-Kommissions-Vorsitzenden und Rotes-Kreuz- Präsidenten Fredy Mayer gerichtet: "Es geht hier nicht um das Rote Kreuz allein, es geht um alle Träger, die Zivildiener beschäftigt haben", relativiert Mayer. Sollte es zu Kürzung oder Abschaffung des Zivildienstes kommen, sagt er, muss dieser Ausfall anderweitig ausgeglichen werden. "Gesellschaft und Politik", fügt Mayer hinzu, "sollen sich aber im Klaren sein, dass das auch etwas kostet."

Politikwissenschafter Emmerich Tálos ist wiederum skeptisch, dass ausreichend Jugendliche freiwillig zu sozialen Diensten bereit sind: "Ich würde mich auf derartige Umfragen nicht verlassen, sagt er zur furche. Auch bei anderen Themen, Beispiel: Grundeinkommen, würden viele prinzipiell dafür sein - wenn es aber um die konkrete Umsetzung geht, schaue es anders, weniger gut aus.

Diese Argumentation will Theresia Haidlmayr nicht gelten lassen: Wenn die Rahmenbedingungen passen, soziale Absicherung und Entlohnung stimmt, ist sie überzeugt, dass sich genug Freiwillige melden. "Austrovolontariat" nennen die Grünen ihr Modell eines freiwilligen Sozial-, Friedens und Umweltdienstes. Jugendliche könnten sich dabei ein Berufsfeld genau ansehen und Praktikumszeiten erwerben, bevor sie sich für einen Arbeitsplatz oder eine lange Ausbildung entscheiden. Grundprinzip müsse aber die Freiwilligkeit sein, fordert Haidlmayr: "Der Dienst am Menschen hat eine andere Qualität, dazu kann man niemanden zwingen."

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