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Abenteuer Nächstenliebe

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Nur wer sich freiwillig für einen Sozialdienst entscheidet, wird so helfen können, daß dies für beide Seiten sinnvoll ist.

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Nur wer sich freiwillig für einen Sozialdienst entscheidet, wird so helfen können, daß dies für beide Seiten sinnvoll ist.

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VON FRANZ KÜBERL

Einleitend ist festzuhalten, daß sich die Caritas in die Debatte um die künftige Heeresstruktur nicht einmischen will und kann. Da jedoch in jüngster Zeit von einigen Seiten im Falle der Umstellung auf ein Berufsheer der Buf nach einem Heimatdienst im Sinne eines verpflichtenden Sozialdienstes laut wurde, sind einige Klarstellungen angebracht.

In der laufenden Debatte wird das Modell eines Berufsheeres mit der zusätzlichen Möglichkeit eines freiwilligen Präsenzdienstes favorisiert. Es ist daher nur logisch, im selben Atemzug von einem freiwilligen Sozialdienst zu sprechen. Die Caritas kann in diese Diskussion viele positive Erfahrungen, die mit dem Zivildienst gemacht werden, einbringen. Jene, die Zivildienst leisten, müssen sich ja auch freiwillig dafür entscheiden.

Um Mißverständnissen gleich vorzubeugen, möchte ich das Wort „freiwillig” besonders hervorheben: Hilfe im Sinne der Caritas ist situationsgerecht und findet immer in der Begegnung mit und Beziehung zu Menschen statt. Nur wer sich freiwillig dafür entscheidet, wird diese Hilfe so leisten können, daß sie für beide Seiten Sinn macht. Der Einsatz in einem Behinderten- oder Pflegeheim, für alte oder kranke Menschen, für Obdachlose, Familien und so weiter erfordert ein Höchstmaß an Engagement, das nicht erzwungen werden kann.

Die Caritas hat mit der freiwilligen Sozialarbeit - „Freiwilliges Soziales Jahr”, JEV (Jesuitische Volontäre) u.a. - bereits eine lange Erfahrung. Diese zumeist jungen Menschen, die sich für eine bestimmte Zeit zur Verfügung stellen, bilden neben den hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeitern die dritte Säule, auf die sich die Caritas stützen kann. Die jungen Männer und Frauen gewinnen durch den Einsatz für andere eine wichtige Prägung für ihr weiteres Leben. Manche nutzen diese Zeit, um eine berufliche Entscheidung zu treffen, andere lassen sich ganz einfach auf das Abenteuer Caritas ein.

Diese Erfahrungen sind nicht nur für angehende Sozialarbeiter wichtig. Der Blick über den Zaun, der Kontakt mit Menschen am Bande der Gesellschaft bereichert jeden von uns. Denn die Arbeit mit Menschen ist ein Erlebnis, bei dem die Grenzen zwischen Geben und Nehmen verschwimmen.

Ich bin überzeugt, daß dieser freiwillige Sozialdienst für viele junge Leute attraktiv ist, wem\er vom Gesetzgeber entsprechend anerkannt wird. Die Erfahrungen, die ein junger Mensch im Rahmen dieses Dienstes macht, sollten für Ausbildung und Beruf, vor allem aber als Versicherungszeit angerechnet werden.

Dieser Sozialdienst ist eine wichtige zusätzliche Erfahrung quer durch alle gesellschaftlichen Schichten, ob für Architekten, Verkäufer, Versicherungsvertreter oder Kfz-Mechani-ker. Im Zentrum steht allerdings die Frage, ob der Gesellschaft die Sicherung sozialer Dienste in Zukunft ein Anliegen ist. Schon heute stützt sich die Sozialarbeit in vielen Bereichen auf freiwillige Helfer. Die Nichtanerkennung dieser Tätigkeit ist eine fahrlässige Bedrohung unseres Sozialstaates.

Parallel zur Diskussion um den freiwilligen Sozialdienst muß sinnvollerweise überlegt werden, wie bereits heute Ehrenamtlichkeit, die einen wesentlichen Anteil an der immateriellen Lebensqualität dieses Landes produziert, in besserer Weise anerkannt und gefördert werden kann.

Wenn sich schon Vertreter fast aller Parlamentsparteien für einen Pflichtdienst aussprechen, um wieviel mehr müßten sie einen freiwilligen Sozialdienst begrüßen und fördern. Ein geeigneter Rahmen, in dem alle Seiten ihre Vorstellungen zum Sozialdienst präsentieren können, wäre etwa eine parlamentarische Enquete zu diesem Thema. Insgesamt gewinne ich schon den Eindruck, daß der politische Wille, über einen Sozialdienst im größeren Stil nachzudenken, steigt. Daß ausgerechnet die Heeresdebatte Auslöser dafür ist, wäre einer der vielen verschlungenen Pfade, die auch die Politik bisweilen beschreitet.

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