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Vom Dienen und Verdienen

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Die Idee eines Sozialdienstes bedeutet, in einem der wichtigsten Bereiche Profis durch Amateure ersetzen zu wollen.

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Die Idee eines Sozialdienstes bedeutet, in einem der wichtigsten Bereiche Profis durch Amateure ersetzen zu wollen.

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Es gibt Bereiche, die werden nach wie vor nicht als „richtige” Berufe betrachtet. Die meisten von ihnen haben mit sozialen Leistungen zu tun. Ganz klar: Für das Soziale waren Jahrhunderte lang Frauen zuständig. Unbezahlt, versteht sich. Also können soziale Dienste doch gar keine „richtigen” Berufe sein. Wären sie es, würden sie vorwiegend von Männern ausgeübt und auch entsprechend bezahlt. Nur ein kleines Beispiel: Während Kindergartentanten, Krankenschwestern, Pflegerinnen, Altenbetreuerinnen nach wie vor äußerst niedrige Einkommen haben, sind Ärzte recht gut bezahlt. Klar: Das eine ist Frauen „natürlich”, daher brauchen sie auch nicht viel Geld dafür, das andere ist ein klassischer Männer-Beruf.

Wir wissen, daß wir in den nächsten Jahrzehnten solche sozialen Dienste in noch stärkerem Ausmaß brauchen als bisher. Wir Menschen werden zum Glück immer älter. Wir Frauen lassen es uns zum Glück immer weniger gefallen, daheim Kinder, Herd und Mann zu betreuen.

Brauchen wir also einen Sozialdienst?

Schon der Gedanke ist absurd: In einem der wichtigsten Bereiche unseres Lebens wird damit überlegt, Profis durch Amateure zu ersetzen. Aber es glauben offenbar noch immer viele, daß Sozialdienerinnen ihre Arbeit so gut erledigen können, wie ausgebildete Krankenschwestern, Pflegerinnen, Sozialarbeiterinnen. Es sind ohnehin keine „richtigen Berufe”, es ist mehr die „natürliche Berufung” -vorwiegend von Frauen, versteht sich.

Was sich so absurd anhört, hat handfeste wirtschaftliche Überlegungen: Werden Profis durch Amateure ersetzt, wird Geld gespart. Sozialdienerinnen würden mit Sicherheit noch schlechter entlohnt, als im sozialen Bereich Berufstätige. Gerade jetzt wird im AKH überlegt, angeblich überzählige Krankenschwestern abzubauen.

Um wie viele mehr von ihnen wären überzählig, wenn die Sozialdienerinnen kämen? Der Verdrängungseffektist vorprogrammiert und aus Kostengründen gewünscht.

Dazu kommt noch eine perfide frauenpolitische Überlegung: Junge Frauen können Sozialdienst machen, danach heiraten und Kinder bekommen. Und danach? Danach bleiben sie eher daheim, weil sie immer weniger Berufschancen haben, bei diesem Modell auch nicht mehr im sozialen Be; reich.

Was aber ist mit der pädagogischen Komponente eines Sozialdienstes? Würden durch den Sozialdienst alle Osterreicherinnen sozial, und wenn, was bedeutet das?

Eine Erfahrung mit dem Militärdienst zeigt: Nicht alle Präsenzdiener sind am Ende ihres Dienstes glühende Militaristen. Ebenso wenig würde ein Sozialdienst viel an der Einstellung der Dienerinnen ändern. Während es beim Militär aber ziemlich egal ist, ob ein zwangsverpflichteter Soldat liebevoll oder bockig mit seinem Sturmgewehr oder diversen Aktenbergen umgeht, ist es beim Sozialdienst alles andere als egal, wie zwangsverpflichtete Sozialdienerinnen mit Menschen umgehen.

Was dringend gebraucht wird, ist etwas ganz anderes als ein verpflichtender oder freiwilliger Sozialdienst: Es ist ein neues, von Respekt getragenes Bewußtsein für soziale Berufe. Es muß endlich klar werden, daß es sich um hochqualifizierte Tätigkeiten handelt. Professioneller Zugang zn Sozialberufen hat nichts mit Herzlosigkeit zu tun. Es ist schlimm, so etwas überhaupt erwähnen zu müssen: Nicht die schlechte Bezahlung zeigt, daß für Sozialarbeiterinnen ihre Mitmenschen im Zentrum stehen. Wollen wir gute soziale Betreuung, dann haben wir diese Leistung auch entsprechend zu entlohnen.

Das können wir uns nicht leisten, sagen jetzt sicher einige. Ehrlicher wäre es zu sagen: Das wollen wir uns nicht leisten. Sowohl unsere Staatskassen als auch unsere eigenen Kassen sind nie so voll, daß alles möglich ist. Wir müssen Prioritäten setzen. Und mir ist professionelle, soziale Betreuung für alle wichtiger, als zum Beispiel die gebraucht gekauften Panzer um mehr als zwei Milliarden Schilling oder die Steuerfreiheit für Stiftungsvermögen.

Statt Sozialdienst also soziale Dienste als Beruf. Mit der nötigen Anerkennung und entsprechender Bezahlung.

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