7223160-1993_36_09.jpg
Digital In Arbeit

LÄNGERER ZIVILDIENST IST UNVERMEIDLICH

19451960198020002020

Bis zum Jahresende müssen sich die Koalitionsparteien auf eine Neuregelung des Zivildienstes einigen - sonst tritt wiederum die alte Gesetzeslage mit der ungewollten Zivildienstkommission in Kraft. Verteidigungsminister Werner Fasslabend (ÖVP) im FURCHE-Gespräch.

19451960198020002020

Bis zum Jahresende müssen sich die Koalitionsparteien auf eine Neuregelung des Zivildienstes einigen - sonst tritt wiederum die alte Gesetzeslage mit der ungewollten Zivildienstkommission in Kraft. Verteidigungsminister Werner Fasslabend (ÖVP) im FURCHE-Gespräch.

Werbung
Werbung
Werbung

Vor zwei Jahren einigten sich die Koalitionsparteien auf eine Reform des Zivildienstes: Auf Probe bis Ende 1993 wurde die umstrittene „Gewissensprüfung” durch eine Zivildienstkommission abgeschafft, stattdessen wurde die Dauer des Zivildienstes von acht auf zehn Monate erhöht. Die Wehrdienstverpflichtung hingegen blieb bei acht Monaten. Durch die Differenz von zwei Monaten erhofften sich die Wehrpolitiker eine ausreichen-doiHürde gegen einen allzu großen Ansturm auf den Zivildienst ge-schaffen zu haben. Tatsächlich schnellten aber die Zivildienst-Anträge sprunghaft in die Höhe: Während Von 1981 bis 1991 jährlich bloß zwischen 3.000 und4.000 Zivildienstanträge registriert wurden, so waren es 1992 bereits mehr als 12.000 und auch 1993 hielt der Ansturm unvermindert an (bis JuH 1993 knapp 8.000 Anträge).

Im FURCHE-Gespräch stellte Minister Fasslabend klar, daß für ihn „eine unterschiedliche Dauer von Zivil- und Präsenzdienst eine unbedingt nötige Maßnahme ist, um die erforderliche Heeresstärke zu gewährleisten”. Fasslabend verweist dabei auf Studien, die auf in- und ausländischen Erfahrungen beruhen: „Bei einem um zwei Monate längeren Wehrersatzdienst beträgt die Zivildiener-Quote rund 30 Prozent. Um ein funktionierendes Heer garantieren zu können, dürfte aber die Zivildiener-Quote nur rund 15 Prozent betragen.”

In absoluten Zahlen ausgedrückt: Um die Verteidigungsbereitschaft Österreichs zu garantieren, braucht das Heer jährlich 34.000 Jungmänner. Bei einer gleichbleibenden Zivildienerquote von 30 Prozent würden aber jährlich bloß 26.660 Präsenzdiener in die Kasernen einrücken.

Natürlich werde daran gearbeitet, das Heer auch für die männliche Jugend attraktiver zu machen, verspricht

Fasslabend. Der Zivildienst sei aber „sy stem-immanent” attraktiver als das Heer, da bei diesem das Einsatzrisiko, die Disziplinarordnung, eine autoritäre Hierarchie und die räumliche Entfernung vom Wohnort (100 Kasernen-Standorte in Österreich stehen 5.000 Zivildiener-Plätze gegenüber) eben unvermeidlich seien.

Dennoch werden im Heeresministerium Überlegungen angestellt, um den Unbill des Wehrdienstes zu lindern. Denn laut heeresinternen Studien ärgern sich die angehenden Vaterlandsverteidiger am meisten über „schlechte Bezahlung”, gefolgt von „Kasernierung” und „Disziplinarordnung”. Als Vorteile des Zivildienstes werden angegeben: „Ich kann zu Hause wohnen” (78 Prozent), „ich verrichte eine sinnvolle Tätigkeit” (78 Prozent), „ich habe ein freundlicheres, entspanntes Arbeitsklima” (67 Prozent).

Um die negativen Begleiterscheinungen des Wehrdienstes zu mindern, wäre daher zunächst eine Taggelderhöhung notwendig: Derzeit erhält ein Präsenzdiener monatlich rund 2.100 Schilling, ein Zivildiener im Optimalfall 7.000 Schilling und zusätzlich unter Umständen Freifahrt auf öffentlichen Verkehrsmitteln. Ob angesichts der prekären Budget-Situation die Wehrdiener mit mehr als einer symbolischen Taggeld-Erhöhung rechnen können, ist mehr als fraglich.

Weitere mögliche „Zuckerln” für die Soldaten wären Freifahrten auf öffentlichen Verkehrsmitteln (derzeit bloß zwei pro Monat, wenn der Einsatzort nicht mit dem Wohnort identisch ist) sowie besser ausgestattete Kasernen mit kleineren Schlafräumen.

Ob nicht eine Schwächung des Milizheeres den Argumenten für ein Berufsheeres neuen Auftrieb geben könnte? - Fasslabend: „Für mich ist das keine ideologische Frage. Aber angesichts der Lage im Osten und ohne einem klaren Bild eines Sicherheitssystems im Westen ist jetzt nicht die richtige Zeit für Experimente.”

Gleiches gelte auch für die Zivildienst-Debatte. Fasslabend: „In erster Linie geht es um die Sicherheit Österreichs. Dabei sollte man kein Risiko eingehen.”

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung