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Bush und Putin haben viel gemeinsam: den Glauben an ihre Größe, das Wissen um einen Feind, gegen den nur Härte hilft - und die Sturheit, nicht zu sehen, dass sie falsch liegen.

Es sei eine Eigenschaft großer Männer, hat der spanische Jesuit Balthasar Gracian im 17. Jahrhundert geschrieben, sich großen Männern nahe zu fühlen: "Hierin liegt ein Wunder der Natur, sowohl wegen des Geheimnisvollen darin als auch wegen des Nützlichen."

Dieses nützliche Wunder war zwischen George W. Bush und Wladimir Putin immer wieder und so auch jetzt während des Geiseldramas von Beslan zu bestaunen. Beide wissen sich zu den ganz Großen gehörig: "Ich bin kein Historiker, ich bin der Typ, der Geschichte schreibt", hat Bush kürzlich einem Reporter des Nachrichtenmagazins Time verraten. Und in Putins offizieller Biographie werden Prophezeihungen von Nostradamus als versteckte Hinweise auf die Regierungszeit des russischen Präsidenten gedeutet.

Soweit zur Größe; dass beide sich nahe sind, zeigen Bushs Gästebucheintragungen in Putins Datscha und Putins Gegenbesuche auf Bushs Ranch. Und worin besteht die Nützlichkeit dieser Männerfreundschaft? Beide sind sich absolut einig darin, wer der Feind ist: der internationale Terrorismus. Und beide sind sich einig, wie darauf zu reagieren ist: "Wenn Amerika in diesem Jahrzehnt Unentschlossenheit und Schwäche zeigt, wird die Welt in eine Tragödie abgleiten", sagt Bush. Wir haben Schwäche gezeigt, und Schwache werden geschlagen", sagt Putin.

Dass das erste Zitat inmitten Tausender Zustimmung klatschender Bush-Wähler auf dem republikanischen Parteikonvent gefallen ist, und Putin seine Worte angesichts einer traumatisierten Nation, angesichts Tausender trauernder Frauen und Männer in Beslan wählte, spielt keine Rolle: Härte zeigen passt immer, passt überall.

So wie die Lüge passt - in Washington und in Moskau: "Ständig lügt man uns an. Die letzten fünf Terroranschläge sind eine unaufhörliche Lügenchronik", klagte die Zeitung Moskowski Komsomolez. Und die Zeitung Iswestija schrieb sogar von einer "nationalen Schande", weil westliche Sender direkt vom Ort der Geiselnahme berichteten, während das russische Staatsfernsehen die informationshungrigen Zuschauer mit Romantik- und Abenteuerfilmen abspeiste. Kein Wunder, dass nach all der Mischung aus wahren, halb wahren und erdachten Informationen Russen und Welt jener Meldung wenig Glauben schenken, wonach Putin "zu beispiellosen Zugeständnissen an die Terroristen" bereit gewesen wäre: zwar nicht der russische Abzug aus Tschetschenien, wohl aber die von den Geiselnehmern geforderte Freilassung inhaftierter tschetschenischer Rebellen.

Zugeständnisse an Terroristen? - Das will nicht zu Wladimir Putin passen, der sich in seiner Amtszeit stets als konsequenter Bestrafer gezeigt hat. Aber wen bestrafen? Tschetschenien noch mehr als bisher mit marodierenden russischen Truppen überziehen? George W. Bush hat es da leichter gehabt: Er konnte noch zwei Kriege als Vergeltungsschläge tarnen. Bei einem neuerlichen Terrorangriff würde aber auch er sich schwer tun - wen dann bestrafen, gegen wen dann in den Krieg ziehen?

Zunächst herrscht einmal große Ratlosigkeit, was in Tschetschenien jetzt geschehen soll - auch international und auch bei Putin-Kritikern. Mit wem verhandeln? Wer hat den Willen und die Macht, einen Ausweg aus diesem kaukasischen Teufelskreis zu finden? Wie bei Bushs Anti-Terror-Krieg lässt sich auch hier leichter Einigkeit darüber herstellen, dass alles besser ist als Putins Härte-Demonstrationen, die nicht als Zeichen von Stärke missverstanden werden dürfen.

Warum aber nicht Putin so wie Bush beim Wort nehmen? Wenn die zwei den internationalen Terror als Feind erkannt haben, dann ist es legitim, international gegen diesen Feind vorzugehen. Wenn die Geiselnahme in Beslan und die in einem Moskauer Theater vor zwei Jahren und die Flugzeugabstürze der letzten Wochen Angriffe des internationalen Terrors waren, dann ist der Tschetschenien-Konflikt keine innere Angelegenheit mehr, wie Moskau bei jeder Kritik an seinem Vorgehen betont. Dann darf Russland internationale Organisationen nicht mehr aus Tschetschenien hinauszwingen, sondern muss deren Hilfe suchen. Putin muss sich entscheiden: Stärke statt Härte zeigen. Leider spricht viel dafür, dass er für so ein Zeichen der Stärke zu schwach ist.

wolfgang.machreich@furche.at

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