Putin?

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Welches Russland will er?

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Welches Russland will er?

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Russland-Bashing ist in Mode." Westliche Öffentlichkeit und Politik gefällt sich dabei, auf Russland einzuhauen, analysiert der deutsche Russlandexperte Christian Wipperfürth in seinem Buch "Putins Russland - ein vertrauenswürdiger Partner?"und fasst zusammen: Das westliche Bild von Russland ist im Keller, "die Stimmung hat sich merklich verschlechtert, die Rhetorik verschärft". Mit "objektiven" Entwicklungen der russischen Innen- oder Außenpolitik oder mit den "objektiven" Interessenunterschieden zwischen Ost und West lässt sich diese Stimmungsverschlechterung nicht erklären, meint Wipperführt, es sei vielmehr die "subjektive Wahrnehmung" der eigenen wie der anderen Seite, die die Probleme und Interessenunterschiede "wesentlich gravierender erscheinen lässt, als sie es tatsächlich sind".

Solist im Russland-Konzert

Mit seinem Buch besetzt Christian Wipperführt eine Solistenrolle im derzeitigen Russland-Kommentar-Konzert. Die Bilder des Krieges in Tschetschenien vor Augen, die Kritik am Prozess gegen den Oligarchen Michail Chodorkowskij im Ohr oder die Erinnerung an die Beendigung des Geiseldramas in Beslan vor bald einem Jahr im Kopf - gegen alle diese (Vor-)Urteile muss bei der Wipperfürth-Lektüre angelesen werden.

Doch Wipperfürth exkulpiert nicht, nicht Präsident Putin, nicht Russland werden von der (Mit-)Schuld an ihrem schlechten Image losgesprochen; aber Wipperfürth erklärt mit zahlreichen Detailinformationen das Wie und Warum der russischen Innen- wie Außenpolitik, und geißelt in vielen Beispielen die von übertriebenen Erwartungen erfüllte und von Doppelstandards geprägte westliche Russlandperzeption. Der Historiker und Politologe Wipperführt beansprucht "Achtung und Respekt vor der russischen Nation und ihrer Geschichte, wie vor derjenigen anderer Völker auch" - noch dazu weil sich das Land in "einem schwierigen Prozess der Selbstdefinition befindet".

Jelzin gut, Putin schlecht?

Die Gegenüberstellung eines "demokratischen" Russlands unter Jelzin und eines "autoritären" unter Putin führt laut Wipperfürth in die Irre: "Die im Westen als autoritär' bezeichneten Maßnahmen Putins waren häufig notwendige Schritte, um den Staat zu stabilisieren und wieder handlungsfähig zu machen." Für Wipperfürth war die Verhaftung von Chodorkowskij ein politisches Signal an Oligarchen, dass ihre überbordende Macht in Wirtschaft, Medien und Politik nicht mehr akzeptiert werde. Das Exempel Chodorkowskij war somit ein Schuss vor den Bug, denn ein - für den Autor nicht ganz unberechtigter - "Angriff auf alle hätte Staat und Wirtschaft in eine schwere Krise gestürzt."

Als positive Resultate dieser Verhaftung ("mit unangenehmen Nachgeschmack") sei die Steuermoral gestiegen, westliche Ölkonzerne würden in Russland Fuß fassen und sogar "die Weltbank unterstützt Putins Vorhaben, die Unternehmen der Oligarchen besser zu regulieren". Als weitere positive Beispiele für Putins "regulierte Demokratie" werden angeführt: die fortschrittliche Reform des russischen Strafgesetzbuches; Maßnahmen zur Stärkung der Parteien; weniger Gefängnisinsassen und Hilfe bei Gewalt und Willkür in der russischen Armee.

Wipperfürths Resümee: Russland ist kein "widerborstiger Schüler", und der Westen soll sich nicht als der Noten verteilende Lehrer aufspielen - "über so einfache Leisten lassen sich Geschichte und Politik nicht schlagen".

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