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Medien-Gängelung à la Wladimir Putin: Seit der Schließung des unabhängigen TV-Senders TVS regiert in Russlands Fernsehen der staatskonforme Einheitsbrei.

Sitzen Hitler und Napoleon bei einer Militärparade am Roten Platz. Meint Hitler: "Mit diesen Raketen hätte ich den Krieg gewonnen". "Und mit einer solchen Presse hätte die Welt nie von Waterloo erfahren", kommentiert der kleine Franzose die Lektüre der Prawda.

Nicht zufällig fühlen sich Leute in Putins Russland wieder an solche Sowjetwitze erinnert. Unter Putin wurde die Pressefreiheit kontinuierlich eingeschränkt. Jüngster Höhepunkt im Juni: die Schließung des letzten bundesweiten nichtstaatlichen Informationskanals TVS. Seither läuft auf dieser Frequenz 24 Stunden täglich Sport - ein langgehegter Wunsch der Kremladministration.

Putins Aufstieg zu einer Popularität von 70 Prozent ging mit einer Neutralisierung potenzieller Konkurrenten, sprich der so genannten Oligarchen, einher. So besetzte er durch Personen mit militärisch-geheimdienstlichem Hintergrund einerseits politische Schlüsselpositionen und verschaffte sich andererseits Kontrolle über die Massenmedien. Über sie schuf er das Image des kompetenten Staatsmanagers, der Russland seine alte Macht zurückgibt, das Land stabilisiert und vom Westen ernst genommen wird. Mit der medialen Gleichschaltung sichert der Kreml nun die Ergebnisse bei den kommenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen.

Im Wissen um die Schlüsselrolle des Fernsehens waren die vernichtenden Schläge denn auch aufs Fernsehen konzentriert: 2001 der Kanal NTW des Magnaten Wladimir Gussinskij, 2002 der Sender TV-6 des von Putin gehassten Oligarchen Boris Beresowskij, und kürzlich eben TVS. Die verbliebenen Staatssender agieren als Hofberichterstatter des Kreml. Schaute man sie früher, um die Position des Staates zu erfahren, laufen sie nunmehr in Ermangelung von Alternativen. Zur inhaltlichen Dominanz des Staates kommt die wirtschaftliche: Schon vor der Schließung von TVS lukrierten die Staatskanäle satte 70 Prozent der TV-Werbeeinnahmen.

Trotzdem ist Putins Russland nicht mit der Sowjetunion gleichzusetzen. Im Unterschied zum Fernsehen existiert nämlich auf der einen Seite eine ziemlich bunte Presselandschaft, auf der anderen mit dem Sender Echo Moskwy wenigstens ein zuverlässiges Informationsradio sowie das Internet, dessen Verbreitung allerdings auf wenige Prozent beschränkt ist. Und die Regionen zeigen immerhin ein sehr heterogenes Bild medialer Vielfalt.

Opposition und Selbstzensur

Einige der großen Tages- und Wochenzeitungen weisen fundiert oppositionelle, kremlkritische Berichterstattung auf, mitunter in einem größeren Ausmaß als die westliche Berichterstattung über Russland. Aufgrund ihrer geringen Anzahl und der beschränkten Breitenwirksamkeit von Printmedien können sie aber den Verlust des Fernsehens für eine potenzielle "vierte Macht" im Staat nicht wettmachen. Zudem lebt freilich auch die Presse unter dem Damoklesschwert von Restriktionsmaßnahmen einer eher willkürlichen denn demokratischen Staatsleitung. Wie der Chefredakteur einer führenden russischen Tageszeitung gegenüber der Furche äußerte, hat sich der Geist der Ära Putin unter anderem in Form der Selbstzensur niedergeschlagen, die ein gänzlich freies Arbeiten behindert. Öfters überlege man sich eine Formulierung, um keinen Schlag gegen das Blatt zu riskieren. Außerdem hätten die Machthaber ohnehin ihren eigenen Umgang mit kritischer Presse gefunden, nämlich auch schwere Vorwürfe einfach zu ignorieren.

Diese Nichtreaktion ist in einem Staat, dessen Bevölkerung ihren Unmut traditions- und mentalitätsgemäß ohnehin nicht zu größerem Protest formiert, kaum weniger effizient als Androhungen gegen die Redaktion. Solche wurden zum letzten Mal während des Moskauer Geiseldramas "Nordost" laut - wie der Tschetschenien-Konflikt überhaupt ein neuralgischer Punkt zwischen Staatsmacht und Medien ist.

So erschallen gerade in letzter Zeit oft Lobeshymnen auf die Situation der Presse unter dem Vorgänger Jelzin. Dies stimmt freilich nur bedingt: Denn in der neuen journalistischen Freiheit Anfang der 90er Jahre übersah man nicht nur strukturelle Defizite, sondern auch das Entstehen von Medienkonzentrationen. Vor allem aber kam es zu engen Verflechtungen mit der Politik, sodass sich Medienmacher nicht nur selbst Meinungsmacht verschafften, sondern auch zu Wahlzeiten mit Machthabern ins Bett schmutziger Kampagnen legten. Jelzin verdankt seine Wiederwahl 1996 genauso einer Prostitution der Medien wie Putin seinen politischen Aufstieg 1999. Schaden genommen hat dadurch vor allem die journalistische Profession an sich - wird Politik vom russischen Volk grundsätzlich als lügenhaft qualifiziert, so wird auch das journalistische Wort mit übergroßer Skepsis betrachtet. Wie der Generalsekretär des Journalistenbundes, Igor Jakowenko, neulich gegenüber Echo Moskwy meinte, sei es paradox, dass letztlich vielleicht gerade in diesem Misstrauen eine gewisse Widerstandskraft des Volkes gegen Manipulation liege.

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