Verweigerer der ersten Stunde

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Zum Tod von Gordon C. Zahn, dem ersten Jägerstätter-Biografen und Vorreiter der katholischen Friedensbewegung - nicht nur in den USA.

Keinem Historiker oder Vergangenheitsbewältiger heimischer Provenienz kommt das Verdienst zu, das Andenken des am 26. Oktober selig gesprochenen Kriegsdienstverweigerers Franz Jägerstätter dem Vergessen entrissen zu haben: Es war der amerikanische Soziologe und Pazifist Gordon C. Zahn, der 1964 in seinem Buch "In Solitary Witness" (deutsch bei Styria 1967: "Der einsame Zeuge") die erste umfassende Biografie des Innviertler Bauern vorlegte, der nicht für Hitler in den Krieg ziehen wollte und dafür 1943 hingerichtet wurde. Zahn beschreibt in seinem Buch, wie schwierig seine Recherchen im oberösterreichischen St. Radegund sich gestalteten (nicht zuletzt wegen der Barriere, welche der Dialekt der oberösterreichischen Bauern für einen Amerikaner darstellte) und wie zögerlich auch Franziska Jägerstätter sich dem Interviewer öffnete. Doch ohne Zahns beharrliche Arbeit wäre Jägerstätter damals kaum bekannt geworden; auch Axel Corti stützte sich 1971 bei seinem exemplarischen Film "Der Fall Jägerstätter" darauf.

Zivildiener anno 1944

Gordon C. Zahn, 1918 in Milwaukee geboren, war schon früh zum Pazifisten geworden: Er verweigerte 1944 den Wehrdienst in der US Army und leistete stattdessen eine Art Zivildienst als Feuerwehrmann bei Waldbränden in New Hampshire. Wegen seiner pazifistischen Einstellung wurde Zahn von fast allen katholischen Colleges abgewiesen, und wo er aufgenommen wurde, gab es Proteste von Weltkriegsveteranen und ehemaligen Militärgeistlichen. Durch die Unterstützung eines demokratischen Senators konnte Zahn dann an der Catholic University of America in Washington doch Soziologie studieren. Nach seiner Promotion wurde er Soziologie-Professor an der katholischen Loyola University in Chicago, die er allerdings wegen seines "Skandal"-Buchs "German Catholics and Hitler's Wars" (1963, deutsch: "Die deutschen Katholiken und Hitlers Kriege", Styria 1965) verlassen musste. Zahn analysierte darin die Rolle der katholischen Kirchenleitung Deutschlands zur NS-Zeit - und kam dabei zu Schlüssen wie: "Im Zweiten Weltkrieg wurden die Führungspersönlichkeiten der katholischen Kirche Deutschlands zu Handlangern der NS-Kontrolle über die Gläubigen, indem sie diese zu loyalem Gehorsam gegenüber der legitimen Obrigkeit ermahnten oder sogar direkt zur Verteidigung von, Volk, Vaterland und Heimat' als Christenpflicht zusammentrommelten." Das war zuviel für das katholische Amerika anno 1963, das immer noch von Persönlichkeiten wie dem Vietnamkriegsbefürworter Kardinal Spellman geprägt war; aber auch Interventionen des deutschen Kurienkardinals Augustin Bea führten zu Zahns Abgang.

Zahn wechselte daher als Soziologe an die Universität von Massachusetts in Boston, wo er bis zu seiner Emeritierung 1980 tätig war. 1965 - Zahns Jägerstätter-Buch war zwei Jahre zuvor erschienen - machte er den englischen Erzbischof Thomas Roberts auf den österreichischen Kriegsdienstverweigerer aufmerksam und erarbeitete mit ihm eine Eingabe zu den Beratungen über die Pastoralkonstitution Gaudium et Spes auf dem II. Vatikanum. Erzbischof Roberts nannte in dieser Eingabe Franz Jägerstätter als Beispiel dafür, "aufzuzeigen, dass ein Christ nicht in einem Krieg … Dienst leisten darf, soll es auch sein Leben kosten, wenn das Gesetz, von Gott in sein Herz geschrieben, mit den Befehlen von irdischer Macht in Konflikt gerät".

Jägerstätter aufs Konzil

Vielleicht erinnerte Zahn das Verhalten der katholischen Kirchenleitung Oberösterreichs, die Jägerstätter in seinem Entschluss, den Dienst mit der Waffe zu verweigern, völlig allein ließ, an seine eigene Biografie: Als der 26-jährige Zahn 1944 seine Einberufung in Händen hielt, musste auch er seine Wehrdienstverweigerung ohne die Unterstützung eines Priesters oder Bischofs durchstehen.

Gordon C. Zahn war auch ein Gründer des USA-Zweiges der katholischen Friedensbewegung Pax Christi. Seit längerem an Alzheimer leidend konnte er nicht mehr nach Österreich kommen, auch nicht zur Seligsprechung von Franz Jägerstätter. Am 9. Dezember ist dieser katholische Friedenspionier in der Nähe von Milwaukee verstorben.

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