Die Frau und Gefährtin des Seligen

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Zur Feier des 99. Geburtstags war sie das letzte Mal in der Kirche, erzählt Erna Putz. Das war vor einem Jahr. Am 4. März feiert Franziska Jägerstätter nun ihren Hunderter, geistig frisch, aber körperlich schon sehr schwach, berichtet die Franz-Jägerstätter-Biografin Erna Putz. Putz hat vor einigen Jahre auch die Briefe von Franziska und Franz Jägerstätter herausgebracht und sie ist seit langem Freundin und Begleiterin der Familie. Drei Töchter hat Franziska Jägerstätter, 14 Enkel und 17 Urenkel sind mittlerweile dazugekommen.

Wer die kleine Frau kennenlernen durfte, nahm auf den ersten Blick kaum wahr, dass hinter dem starken Franz Jägerstätter eine mindestens so starke Frau gestanden ist. Auf den zweiten Block war aber zu entdecken, welcher Kraft es bedurfte, das Schicksal Franz Jägerstätters zustimmend bis zum Ende zu begleiten und dann noch die Töchter allein großzuziehen.

Die Beziehung zwischen Franz und Franziska Jägerstätter war eine "vorbildliche“ Ehe, die aus Franz, der ein junger Hallodri war, den Glaubenszeugen machte, der heute von der katholischen Kirche als Märtyrer und Seliger verehrt wird: Weil er als tief gläubiger Christ nicht für Hitler in den Krieg ziehen wollte, wurde Jägerstätter vor 70 Jahren hingerichtet. Franziska trug das mit, ertrug es und bestärkte ihren Mann sogar.

Nach dem Tod ihres Franz und erst recht nach Kriegsende blieb Franziska eine Verfemte: Kaum einer im oberösterreichischen St. Radegund verstand Franziskas Haltung, sie sei mitschuld am Tod Jägerstätters, hieß es. Die Bäuerin bekam keine Pension und blieb dennoch eine unbeirrte Christin. Sie war 30 Jahre lang Mesnerin in St. Radegund, Lektorin, Kommunionspenderin, Leiterin der Katholischen Frauenbewegung am Ort.

Dass sich etwa ab 1970 die Diskussion um Franz Jägerstätter neu entwickelte, war auch ihrer Unbeugsamkeit und Beharrlichkeit zu danken, im Kanonisierungsprozess für Franz spielte das Zeugnis der Franziska eine wichtige Rolle. Dass dieser dann am 26. Oktober 2007 tatsächlich in die Seligsprechung mündete, stellte auch einen Paradigmenwechsel in der katholischen Kirche dar: Erstmals wurde ein Märtyrer zur Ehre der Altäre erhoben, der für die Freiheit seines Gewissens sein Leben ließ. Für Franziska Jägerstätter stellte die Seligsprechung den Höhepunkt ihres Lebens und das Ziel jahrzehntelanger Bemühungen dar. Ein Ziel, das vieler "Etappensiege“ bedurfte: So erreichten Franziska und ihre Freunde nach zähem Ringen mit den Soldatenverbänden, dass Franz Jägerstätter auch auf dem örtlichen Kriegerdenkmal von St. Radegund vermerkt wurde. 1997 wurde schließlich das Todesurteil in Berlin aufgehoben - eine wichtige symbolische Geste - sowie durch Diözesanbischof Maximilian Aichern der Seligsprechungsprozess eingeleitet.

Auch da gab es hinhaltenden Widerstand. Ende der 1990er Jahre etwa beschied ein hoher Funktionär der Heiligsprechungskongregation in Rom einer österreichischen Journalistengruppe, einen "Umstürzler“ wie Franz Jägerstätter könne man nicht selig sprechen.

Dass Franziska Jägerstätter diesen Widrigkeiten zum Trotz dann selber erleben durfte, dass dem entgegen ihr Franz zum Seligen wurde, hat sie gestärkt: "Es war ein langer Karfreitag“, meinte sie oft: "Aber ich denke, dass ich jetzt schon näher bei Ostern bin.“ Und Freundin Erna Putz setzt heute hinzu: "Franziska Jägerstätter ist auf ihrer letzten Wegstrecke angekommen.“

Keine Frage, dass ihr gerade dafür Kraft und Gnade zu wünschen ist.

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